Politik/Inland

Ludwig spricht von "Schande", versteht Hebein und tadelt Gewessler

Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) plädiert dafür, Flüchtlinge aus Afghanistan - denen nach der Machtübernahme der Taliban Gefahr droht - aufzunehmen. „Ich bin dafür, dass wir ihm Rahmen von sogenannten Resettlement-Programmen gezielt jene Menschen in Sicherheit bringen, die sich für demokratische Werte und die westliche Welt eingesetzt haben“, sagte er im Interview mit der APA. Als Beispiel nannte Ludwig die 300 Richterinnen des Landes.

Menschen gezielt schützen

Diese seien nun auch in ihrem Leben bedroht und würden dringend entsprechende Unterstützung brauchen. Auch Frauenrechtlerinnen oder Journalistinnen müssten gerettet werden, forderte der rote Stadtchef. „Da ist keine Rede davon, dass wir ein Signal setzen wollen, um eine neue Flüchtlingswelle in Gang zu setzen. Das ist einfach unrichtig.“ Vielmehr gehe es darum, gezielt Menschen vor Verfolgung zu schützen.

Die Frage von Abschiebungen in das Land stelle sich hingegen derzeit nicht mehr, gab Ludwig zu bedenken. Fraglich sei auch, ob umliegende Staaten ein Ziel für die Abschiebung von afghanischen Staatsbürgern sein könnten. „Ob Nachbarländer, die bereits jetzt hunderttausende Flüchtlinge aufgenommen haben, bereit sind, aus westlichen Industriestaaten zusätzliche Personen aufzunehmen, das halte ich für sehr unwahrscheinlich.“

"Humanitäre Schande"

Man solle sich vielmehr rasch an Hilfsprogrammen in Nachbarstaaten beteiligen. Das „Ursprungsproblem“ 2015 sei sicher gewesen, dass man die finanziellen Mittel für die Flüchtlingslager in der Umgebung Syriens gekürzt habe. Die Betroffenen seien darum weitergezogen, sagte Ludwig. „Wenn man schon nicht bereit ist, jetzt unmittelbar zu helfen, was ich eigentlich für eine humanitäre Schande halte, dann sollte man möglichst schnell finanziell und zwar wirkungsvoll helfen.“

"Hebein war immer emotional beteiligt"

Dass die türkis-grüne Bundesregierung ob des Streits über diese Flüchtlingsfrage ernsthaft in Gefahr gerate, glaube er nicht, betonte Ludwig. „Das glaube ich deshalb nicht, weil die Grünen da sehr belastbar sind.“ Man sehe derzeit nur taktische Spielchen, um die Medien zu beschäftigen.

Die Haltung der ehemaligen Wiener Grünen-Chefin Birgit Hebein - die aus Frust über die grüne Regierungspolitik aus der Partei ausgetreten ist - verstehe er, hielt Ludwig fest. „Sie war in dieser Frage immer sehr kompromisslos und auch emotional und persönlich beteiligt. Von daher kann ich mir gut vorstellen, dass sie die Entscheidungen, die von der Bundespolitik getroffen werden, nur sehr schwer nachvollziehen kann.“

Kritik an Gewessler: "Wahlkampf"

Harsche Kritik übt Ludwig im Gespräch mit der APA an Verkehrs- und Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) geübt. Sowohl die Evaluierung der Nordostumfahrung - samt Lobautunnel - als auch die Vorgangsweise beim kürzlich präsentierten Klimaticket stößt ihm sauer auf. Er vermutet, dass die Ressortchefin ihre Entscheidungen zuletzt mehr vom Wahltermin in Oberösterreich Ende September abhängig gemacht hat als von inhaltlichen Überlegungen.

Österreich-Ticket ohne Osten

Zuletzt sei etwa das Klimaticket in Linz präsentiert und ein Start am 26. Oktober angekündigt worden - allerdings ohne dem Verkehrsverbund Ostregion (VOR), in dem Wien, Niederösterreich und das Burgenland ihr Angebot bündeln, erinnerte Ludwig. „Wir in Wien waren schon sehr erstaunt, dass die Frau Bundesministerin, ohne zu einem Gesamtergebnis zu kommen, das in den Medien verlautbart hat. Das ist kein guter Verhandlungsstil, noch dazu, wo in der Ostregion mehr als 60 Prozent der Pendlerinnen und Pendler unterwegs sind.“

Ludwig zeigte sich verwundert: „Also in Wirklichkeit wird ein österreichweit flächendeckendes Ticket angekündigt, das keines ist.“ Man habe erwartet, dass es Verhandlungen auf Augenhöhe geben werde. Vermutlich sei aber der Wahltermin in OÖ für die Präsentation verantwortlich, sagte Ludwig.

Umfahrung entlaste Bevölkerung

Das mit dem Wahltermin gelte auch für die Evaluierung von hochrangigen Straßenprojekten, mutmaßte er. „Manches geht geschwind, siehe S10“, verwies er auf die Entscheidung über den Weiterbau der Mühlviertler Schnellstraße. Er forderte, auch in Sachen Nordostumfahrung rasch Klarheit. „Die Nordostumfahrung ist eine wichtige Entscheidung für Wien. Es hat jede halbwegs größere Gemeinde in Österreich eine Umfahrung.“ Damit werde die Bevölkerung vom Durchzugsverkehr entlastet.

„Dieses Recht möchte ich für die Wiener Bevölkerung auch durchsetzen.“ Auch könne man Betriebsansiedlungsgebiete entlang der Trasse schaffen. Dass es in irgendeiner Form einen Deal gebe könnte - Wien stimmt über den VOR dem Klimaticket zu und der Bund segnet dafür den Tunnelbau ab - schloss Ludwig aus. „Das sind zwei sehr unterschiedliche Bereiche“, betonte er.