Politik/Inland

Klimaforscher Riahi: "Die Lösung ist nicht Verzicht, sondern Systemänderung"

Der Grazer Klimaforscher Keywan Riahi ist dem neuesten Reuters-Ranking zufolge der einflussreichste Klimaforscher der Welt. Er ist einer der führenden Autoren des Weltklimarats, der diese Woche mit einem aufrüttelndem Bericht über den fortschreitenden Klimawandel für Schlagzeilen gesorgt hat.

Um den Klimawandel noch in den Griff zu bekommen, reiche es nicht, Treibhausgasemissionen lediglich zu reduzieren. "Wir brauchen null Emissionen", sagte Riahi am Mittwoch im Zib 2-Interview. Das Ziel der Null-Emissionen werde man "mit Verzicht nicht erreichen", sagte der Klimaforscher, angesprochen auf die Aussage von Kanzler Sebastian Kurz, wonach Klimaschutz "ohne Verzicht" möglich sei. Riahi meint, es gehe nicht um Verzicht, sondern um eine Systemveränderung. Beispiel: Man werde weiter mobil sein wie jetzt mit dem Benzinauto, nur eben mit einem Alternativsystem ohne Emissionen. "Wenn es ein Alternativsystem gibt, bei dem man Benefits und Vorteile gegenüber dem Auto sieht, dann empfindet man das nicht als Verzicht."

"Europa gewinnt doppelt"

Riahi betonte auch, dass die Systemumstellung auf Null-Emissionen Europa im Vergleich mit anderen Weltregionen am günstigsten komme. "Das überrascht viele Leute. Aber es ist deswegen, weil wir keine fossile Energie mehr importieren müssen. Dadurch haben wir einen doppelten Gewinn: Wir stellen das System nachhaltig um und halten die Wertschöpfungskette in der Region."

Die Systemumstellung werde auch Verlierer zutage fördern: Länder, deren Haupteinnahmequelle der Export von fossilen Energieträgern ist, wie Russland oder der Mittlere Osten. Europa und die USA würden sich überlegen müssen, wie man mit den Verlierern dieser Transformation umgehen soll. Sie zu unterstützen, würde die Transformation auch für diese Länder akzeptabel machen.

"Es ist ein anderer Klimawandel"

Warum der Klimawandel politisch nur schleppend bekämpft wird, erklärt Riahi so: „Es bedarf Investitionen heute, wo wir die großen Benefits erst in 20, 30 Jahren sehen. In der Politik ist das schwierig zu verkaufen.“ Wahlen finden im Vier- oder Fünf- Jahrestakt statt. „Da gibt es eine Trägheit des Systems“, so Riahi.

Zum Argument, dass sich das Klima immer schon gewandelt habe, sagt Riahi: "Der Klimawandel, der uns jetzt erwartet, ist ein ganz anderer, die Häufigkeit der Extremereignisse sind atypisch für die letzten Zehntausenden von Jahren. Die gesamte Menschheit hat sich innerhalb eines Fensters entwickelt, wo das Klima relativ konstant war. Wir haben es geschafft, aus diesem relativ sicheren Bereich auszubrechen." Die Frage sei: "Wie weit wollen wir ausbrechen?"