Politik/Inland

Gas aus Emiraten? "Es ist grauslich, aber wer weiß eine bessere Lösung?"

Der Blitzbesuch der Regierungsspitze in Katar und Abu Dhabi hat einen dramatischen Hintergrund. Österreich ist, auch durch eine fragwürdige Strategie der OMV, fast ausschließlich von russischen Gaslieferungen abhängig. Russlands fossile Energieträger sind von den harten Sanktionen ausgenommen, russisches Gas strömt nach wie vor durch die Pipelines nach Österreich. Und wir bezahlen dafür viel Geld an Russland.

Österreich und die OMV sei von einer Gruppe von Leuten gezielt in eine Abhängigkeit von Russland gelenkt worden, sagt der ehemalige Chef der  OMV, Gerhard Roiss, zum profil. „Diese Leute haben ihre eigenen finanziellen Interessen über jede Moral gestellt.“ Die große Abhängigkeit vom russischen Gas, wie sie aktuell der Fall ist, hätte nicht sein müssen.

Eigentümervertreter für die Interessen Österreichs an dem Öl- und Chemiekonzern ist der jeweilige Finanzminister. Das war zwischen 2014 und Ende 2017 Hans Jörg Schelling (ÖVP), der laut profil nach seinem Ausscheiden aus der Politik einen Beratervertrag beim russischen Gaskonzern Gazprom hatte. Dazu Roiss: „Hier zeigt sich ein generelles Problem, das in den vergangenen fünf, sechs Jahren sichtbar wurde - die enge Verzahnung von Politik und Wirtschaft. Wir haben nun nicht mehr nur Oligarchen aus dem Osten, wir haben längst auch kleine Austro-Oligarchen.

Nun sagt Klimaministerin Gewessler, die auch für die Energie zuständig ist, dass sich die Regierung nicht mehr auf Russland verlassen will. Doch was sind die Alternativen?

Kurzfristig auf anderen Märkten kaufen – wie von der Regierung in den Emiraten.

Langfristig ein Ausstieg aus Gas und Öl für Gebäude und einen Fokus auf den Ausbau der Ökostrom-Produktion.Zur Erinnerung: Die größten Gasreserven halten  Russland,  Iran, Katar, Turkmenistan, USA, Saudi Arabien und die Emirate. „So weh das tut, ob die Exporteure nicht-demokratische Staaten sind oder das Gas extrem umweltschädlich gewonnen wird (Schiefergas), das müssen wir jetzt zumindest kurzfristig akzeptieren. Es ist grauslich, aber wer weiß eine andere Lösung?“, twitterte am Sonntag Gewesslers stellvertretende Kabinettschefin.

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Wie schätzen Österreichs führende Klimaökonomen die Situation ein?

Klimaökonom Stefan Schleicher sagt zum Ist-Zustand: „Wir müssen uns eingestehen, dass wir uns in eine Falle begeben haben, die wir nicht rechtzeitig erkannt haben.

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nd wir kommen wir wieder raus aus der Falle? „Ich fürchte, da gibt es nicht so schnell einen Plan B, ein Backup-Szenario. Alle Empfehlungen haben einen Haken. Es wären ja jetzt viele bereit, aus Öl und Gas auszusteigen, aber dafür gibt es nicht einmal die Kapazitäten bei den Installateuren. Wir haben hier nichts gemacht, was als capacity building, als Hilfe zur Selbsthilfe, läuft, also etwa eine Ausbildungsoffensive. Weil wir zu wenig realisiert haben, dass zwar Klima- und Energieziele gut sind, aber dass das Konsequenzen hat, die derzeit nicht erfüllbar sind.

Was es jetzt vor allem einmal bräuchte, meint Schleicher, wäre eine nationale Kraftanstrengung samt Ausbildungsoffensive. Nicht nur für Solarteure, sondern auch für Fachkräfte fürs thermische Sanieren und für erneuerbare Heizsysteme. Und endlich gescheite Bauvorschriften, wo Bauteilaktivierung oder Njet zu Gas und Öl Standard werden. „Das haben wir alles nicht.“

Schleicher geht aber noch ein paar Schritte weiter. Ihm fehle ein gesamtheitliches Konzept, wie unsere Energieversorgung in zehn, in fünfzehn und in zwanzig Jahren aussehen soll. „Im Klimaministerium wurde die Energiesektion aufgelassen, das fällt jetzt alles in den Bereich der Klimasektion.“ Und uns womöglich auf den Kopf.

Dass Kanzler Karl Nehammer  in Arabien weilt, wo er zuerst Erdgas und dann Wasserstoff für die Republik kaufen will, überrascht Schleicher nicht. „Sie kaufen LNG, also natural liquid gas, das eine noch einmal schlechtere Klimabilanz hat als gewöhnliches Erdgas, weil man es mit sehr viel Energieaufwand sehr stark kühlen muss.“ Und beim Wasserstoff sei sein Wissensstand, dass die arabischen Staaten derart umrüsten wollen, dass die ganze Welt künftig von ihrem „grünen“ Wasserstoff abhängig ist, so wie das derzeit bei Erdöl der Fall ist. Grüner Wasserstoff heißt, dass er mit Erneuerbaren Energieträgern produziert wird. „Dort mit Ökostrom Wasserstoff zu erzeugen, den dann verschiffen und zu uns bringen, wo aus dem Wasserstoff wieder Strom gemacht werden soll, hat für mich aber schon etwas von einem Schildbürgerstreich“, sagt Schleicher.

Ihn wundert auch nicht, dass die Politik keinen Ökostrom-Turbo zündet. „Wir haben das Erneuerbaren Ausbaugesetz EAG nur mit viel Mühe geschafft, und scheitern bisher bei den dringend notwendigen Gesetzen zur Energieeffizienz, zum Klimaschutz und zur Wärmewende. Und eine Wasserstoff-Strategie haben wir auch nicht. Dabei brauchen wir alle Anstrengungen, um aus der aktuellen Situation herauszukommen.“

Verwundert ist auch Karl Steininger. Der Grazer Klimaökonom sieht das ähnlich wie Roiss und Schleicher, Österreich habe sich beim Erdgas sehendes Auges in eine totale Abhängigkeit Russlands begeben. Dass Nehammer im arabischen Raum Gas und Wasserstoff einkaufen will, wundert ihn aber schon. „Das ist doch ein gesamteuropäisches Problem, woher wir unsere Energie bekommen. Das sollte auch gesamteuropäisch gelöst werden.“ Steiniger meint damit auch die Antwort der Europäer auf den Ukrainekrieg. „Diese Zusammenarbeit zeigt doch auch, dass wir alle verstehen, dass wir in einem Boot sitzen.
Und es hätte ihn mehr gefreut, gibt Steiniger zu, wenn der erste Gedanke der Bundespolitik beim Energiethema nicht der arabische Raum ist, sondern „eine nationale Kraftanstrengung für die Erneuerbaren Energien“.

Angela Köppl, Wirtschaftsforscherin des Wifo, forscht seit Jahrzehnten zum Thema Umwelt und Energie. Auch sie findet: „Wir sitzen in der Falle.“ Dass Nehammer Gas aus den Emiraten kauft, sei verständlich, sagt sie. „Aber damit wird wieder eine teure, fossile Infrastruktur aufgebaut. Leider stimmt es, diese Abhängigkeit vom Erdgas können wir kurzfristig nicht aus der Welt schaffen.“

Sie mahnt aber ein, nicht nur auf die Energieproduktion zu schauen. Denn auch das Thema Effizienz hätte sicher noch große Vorteile. Auch wenn es derzeit kein Gesetz dafür gibt.
 
Also geht es auch um einen Turbo für die Erneuerbaren Energien. Wasserkraft, Windkraft, Photovoltaik, Biomasse, Geothermie.

Wie wird die Situation dort eingeschätzt? Der KURIER sprach mit den großen Verbänden für Windkraft und Photovoltaik und Kleinwasserkraft. Und musste vor allem feststellen, dass diese einigermaßen sauer auf die Politik sind. Weil die Hü- und Hott-Förderungs-Regime der vergangenen 15 Jahren einen stetigen Ausbau verunmöglicht hat.

„Wir waren ja schon einmal viel schneller beim Ausbau, etwa 2014 und 2015“, sagt Stefan Moidl von der IG Windkraft. „Früher hat ein Bewilligungsbescheid für ein Windrad 20 bis 30 Seiten. Jetzt hat der Bescheid 300 und mehr Seiten. Ich bin überzeugt, dass man das einfacher machen kann. Es muss ja nicht sein, dass etwa in NÖ das Landschaftsbild drei Mal beurteilt werden muss, bis das Windrad fertig bewilligt ist. Das war ja früher nicht so, also machen wir es wieder weg. Die ganzen Hürden können wir aus dem Weg räumen, die Verfahren effizienter machen, wir brauchen in den Behörden mehr Sachverständige.

Die Ausbauziele, die das Ökostromgesetz EAG vorschreibe, halte er nicht nur für machbar. „Es ist sogar mehr möglich, wenn die Hürden weg sind. Wir haben die Potenziale, die Technik und das Geld. Also lets do it!“

Vera Immitzer, Geschäftsführerin beim Dachverband Photovoltaik Austria, ist da etwas vorsichtiger. „Was es für einen Turbo beim Ausbau braucht? Da fehlen noch immer die Verordnungen, die Förderschienen, die Investmentverordnung und die Marktprämienförderung. Und dann müssten noch die Bundesländer ihre Flächenwidmungspläne fertigstellen.“ Das seien die Hürden für den Sonnenstrom-Ausbau.
Und, was immer alle gerne vergessen würden: Auch der Netzausbau hätte längst passieren können.
Tatsächlich hatte Gerhard Christiner, Technikchef der Austrian Power Grid, wiederholt auf den Denkfehler hingewiesen, dass man bei der Energiewende nicht einfach Gaskraftwerke abdrehen und Ökostromanlagen aufdrehen könne. Da müsse erst das Stromnetz an die neuen Bedürfnisse angepasst werden.

Aber haben wir überhaupt die Fachkräfte für eine PV-Offensive, Frau Immitzer?

Nein. Auch das haben wir verschlafen und uns selber zuzuschreiben.“ Aktuell würden die Telefone bei ihr im Büro heiß laufen, so viele Menschen wollen raus aus der Abhängigkeit und rein in eine gewisse Autarkie, und ihren Strom größtenteils selber produzieren. „Derzeit können wir 60 Prozent der Kundenanfragen nicht sofort umsetzen. Das dauert noch.“

Zuletzt noch Paul Ablinger vom Keinwasserkraftverband. Er hat den Worten seiner Vorgänger inhaltlich nichts zuzufügen, es brauche die Verordnungen und weniger Hürden im Weg. „Meine Hoffnung ist, dass jetzt viel mehr Politiker und Beamte verstehen, was hier auf dem Spiel steht, und diese Chance auch für den Ökostrom-Ausbau nutzen.“ Die Argumente seien ja nicht neu: Es gehe um eine Versorgungssicherheit und regionales Wirtschaften.