Asselborn: Kickls Plan hat "keine Chance auf Durchsetzung"
Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn ist auch für Migrationsfragen zuständig. Er wird beim informellen EU-Innenministertreffen in Innsbruck teilnehmen.
KURIER: Herr Außenminister, was erwarten Sie konkret?
Jean Asselborn: Ich erwarte keinen Paradigmenwechsel, kein Wunder, bestimmt keine australische Lösung (Flüchtlinge, die per Boot das Land erreichen wollen, werden auf dem Meer abgefangen, zurückgeschickt oder in Lagern auf Pazifikinseln inhaftiert, Anm. d. Red.), sondern eine europäische Lösung auf Basis des Lissabonner Vertrages.
Österreich hat ein Papier vorgelegt, wonach keine Asylanträge mehr auf EU-Boden gestellt werden sollen. Auch in den Plattformen für Migranten in Afrika sollen keine Asylanträge gestellt werden dürfen. Wo dür- fen Asylanträge gestellt werden?
Jede EU-Präsidentschaft, auch die österreichische Präsidentschaft im Jahre 2018, hat die Aufgabe, die Standpunkte in der EU zusammenzuführen, sie zu ordnen und selbstverständlich nicht zu spalten. Die EU ist vertraglich an die Genfer Flüchtlingskonvention (wurde 1951 verabschiedet, trat 1954 in Kraft) gebunden. Verfolgte Menschen haben Recht auf Schutz und Zuflucht in den EU-Staaten. Papiere von Innenminister Kickl und diesbezügliche Aussagen können diesem hohen Prinzip in keiner Weise entgegenwirken.
Bestimmt Österreich nun die Regeln für die EU-Asylpolitik?
Ganz generell sollte in der ÖVP-FPÖ-Regierung nicht vergessen werden, dass die Kommission – und nur sie – auf zwei Ebenen alleinige Kompetenz hat: Sie ist erstens die Hüterin der Verträge, und sie hat zweitens das Vorschlagsrecht für EU-Gesetze. Das heißt, Initiativen, die gegen die Verträge verstoßen und von der Kommission nicht vorgeschlagen werden, haben keine Chance auf Durchsetzung.
Wird über dieses Papier in Innsbruck diskutiert werden?
Es wird über die Migrationspläne der Präsidentschaft gesprochen. Es ist kein Neuanfang, sondern eine Debatte, die uns seit 2015 intensiv beschäftigt und zu der die Kommission Vorschläge gemacht hat, die wir bis dato nicht konkretisieren konnten.
Ist das Papier ein Denkanstoß?
In der Flüchtlingspolitik der EU sollten wir jeden Denkanstoß prüfen, ob er
auf Solidarität, auf Verantwortung, auf Legalität und Menschlichkeit setzt. Nur dann sind wir erfolgreich.
Wie sollte die Reform des Dublin-Systems aussehen?
Ganz einfach. Dass wir einen Schlüssel, eine Quote, bekommen, in der jedes Land an der Verteilung der auf Basis der Genfer Flüchtlingskonvention verfolgten Menschen teilnimmt. Dies allein ist die Richtschnur einer Lösung für eine europäische Asylpolitik.
Kommt es zu dieser Reform unter Österreichs EU-Vorsitz?
Es täte Österreich gut und der EU, ebenso auch der elementarsten Menschlichkeit.
Margaretha Kopeinig