Politik/Ausland

Hunderttausende bei wütenden Protesten gegen Anti-Corona-Maßnahmen

"Freiheit, Freiheit, Freiheit" - Danach lechzen Mittlerweile Millionen Spanier. Sie leiden trotz erster Lockerungen noch immer unter besonders strikten Corona-Beschränkungen. Tausende Spanier haben am Samstag Luft gemacht und Gehör verschafft. Bei Kundgebungen im ganzen Land forderten sie wegen der Anti-Corona-Maßnahmen den Rücktritt des sozialistischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez.

In der Hauptstadt Madrid und vielen anderen Städten des Landes folgten die Demonstranten am Samstag mehrheitlich in Privatfahrzeugen dem Aufruf der rechtspopulistischen Partei Vox. Überall wurden spanische Fahnen geschwenkt und Slogans wie „Rücktritt Sánchez!“ oder „Viva España!“, begleitet wurde das von lauten Hupkonzerten. 

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Madrid war das Epizentrum der Proteste. Hunderte Autos und Motorräder, aber auch sehr viele Demonstranten, die zu Fuß unterwegs waren und die Corona-Abstandsregeln nicht einhielten, füllten im Zentrum der Hauptstadt mehrere Hauptader nach Medienschätzungen über eine Distanz von rund zwei Kilometern. An der Spitze der Demo fuhr Vox-Chef Santiago Abascal mit Parteikollegen im offenen Bus. Proteste, wenn auch kleineren Ausmaßes, gab es unter anderem auch in Metropolen wie Barcelona, Sevilla und Valencia.

Wirtschaftlicher Ruin

Vox ist die drittstärkste Fraktion im spanischen Parlament. Sie wirft der linken Regierung unter Führung von Sanchez vor, mit den strikten Regeln und Verboten zur Eindämmung der Pandemie das Land wirtschaftlich „in den Ruin“ zu treiben und außerdem die Freiheiten der knapp 47 Millionen Bürger illegal einzuschränken.

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Diese Vorwürfe erhebt auch die größte Oppositionspartei, die konservative Partido Popular (PP), die ihre Anhänger aber nicht zur Teilnahme an der Kundgebung aufrief. PP-Vizesekretärin Ana Beltrán sagte aber, man unterstütze friedliche Proteste gegen die Regierung, „weil die Menschen es satt haben“.

Mehr als 28.000 Tote

Mit mehr als 230.000 Infektionsfällen und über 28.000 Toten ist Spanien eines der von der Pandemie am schwersten betroffenen Länder der Welt. Seit Mitte März gelten im Rahmen eines mehrfach vom Parlament verlängerten Alarmzustandes strenge Ausgangsbeschränkungen und Regelungen, die erst seit kurzer Zeit schrittweise gelockert werden. Sánchez betonte mehrfach, diese Maßnahmen seien dafür verantwortlich, dass die Zahlen seit Wochen immer besser werden.

Besonders krass war, dass wochenlang minderjährige Kinder keinen Fuß vor die Tür setzen durften. Und auch danach war erst nur eine Stunde am Tag erlaubt. 

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Jetzt sorgt die Regelung, dass alle Einreisenden zwei Wochen in Quarantäne müssen, für Depressionen im Land. Der Tourismus ist eine der Lebensadern Spaniens. Und Sanchez riskiert einen Totalausfall dieser Geldquelle aus dem Ausland heuer.

Unternehmer und Opposition werfen dem jungen Regierungschef vor, die viertgrößte Volkswirtschaft der Eurozone mit den Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie in den Ruin zu treiben. Sie hofften, dass Spanien wie Italien auch am 3. Juni schon seine Grenzen für Urlauber öffnet.

Aber daraus wird nicht. „Wir können nicht die Einreise von Ausländern erlauben, während wir die spanische Bevölkerung noch einer Ausgehsperre unterziehen", bat Verkehrsminister José Luis Ábalos um Einsicht. Erst ab Juli sollen ausländische Touristen in das beliebte Urlaubsland kommen dürfen. Sanchez appellierte in einer Rede an die Nation am Samstag um Vernunft, ab Juli könnten erst ausländische Urlauber ins Land kommen.

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Auch in Berlin wurde demonstriert

Auch in Österreich haben am Mittwoch bereits Gegner der Corona-Maßnahmen protestiert. Aufgerufen von der FPÖ hatten sich am Mittwoch rund 500 Menschen am Wiener Heldenplatz versammelt.

In Deutschland haben die Proteste inzwischen deutlich größere Ausmaße angenommen. In Berlin waren insgesamt deutlich mehr als 30 Kundgebungen von Gegnern der Beschränkungen sowie Gegendemonstrationen angemeldet.

Demonstriert wurde unter anderem auch in Stuttgart und München – offenbar wetterbedingt aber mit deutlich weniger Zuspruch als in den vorangegangenen Wochen.