Politik/Ausland

Wo in Europa (noch) auf Kohlekraftwerke gesetzt wird

Luft verpesten gegen den Energie-Blackout. Dieser traurigen Realität in Zeiten von Erderwärmung und Co. muss sich wohl auch Österreich künftig wieder stellen. Nachdem man unter großem medialen Interesse 2020 das letzte Kohlekraftwerk im niederösterreichischen Dürnrohr abdreht hat, soll nun das Gas-Kraftwerk Mellach in der Steiermark reaktiviert werden. Das Kraftwerk wird für den Notfall wieder aktiviert, um so einem drohenden Ende der Gas-Lieferungen aus Russland Herr zu werden.

Während man in Österreich aber eigentlich bereits die Zeichen der Zeit erkannt hat und der Kohle den Rücken zugewandt hat, wird das schwarze Gold im Rest von Europa noch vielfach zur Energiegewinnung verheizt.

Der KURIER gibt einen Überblick welche Länder noch stark auf Kohlekraft setzen.

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Insgesamt gibt es in Europa mit Stand März 2022 1.179 Kohlekraftwerke. Dabei wird zwischen Braun- und Steinkohlekraftwerken unterschieden. In der Mehrheit der Kraftwerke, nämlich 759, wird Steinkohle verbrannt. 

Sieben der zehn klimaschädlichsten Kohlekraftwerke in Europa sind laut einer aktuellen Erhebung der britischen Denkfabrik Ember im Jahr 2021 in Deutschland betrieben worden. Die deutschen Kohlekraftwerke des Energiekonzerns RWE in Neurath und Niederaußem wurden bei den Emissionen nur von dem polnischen Kohlekraftwerk Belchatow übertroffen. Insgesamt waren Polen und Deutschland für 53 Prozent der Emissionen im EU-Stromsektor verantwortlich.

Meisten Kraftwerke in Deutschland

In unserem Nachbarland Deutschland sind derzeit 96 Kohlekraftwerke aktiv. Zwar hat Deutschland bereits den Kohleausstieg bis 2038 geplant, aber aktuell ist an ein Ende der Kohlekraft in Deutschland noch nicht zu denken. Wirtschaftsminister Robert Habek (Grüne) will auch nicht am Kohleausstieg rütteln. Die Ampel-Koalition will diesen "idealerweise" auf 2030 vorziehen.

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Unterdessen ruft der deutsche Industriepräsident Siegfried Russwurm dazu auf, vorübergehend wieder stärker auf Kohleenergie zu setzen. "Mein Appell ist: Jetzt schon die Gasverstromung stoppen und sofort die Kohlekraftwerke aus der Reserve holen", sagte Russwurm am Samstag den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Wenn die Versorgungslage im Sommer sich tatsächlich so schwierig entwickelt, wie es aktuell wahrgenommen wird, müssen wir diese Option jetzt sofort ziehen."

Der Import von Strom aus Nachbarländern habe seine Grenzen, ergänzte der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI).

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Ebenfalls stark vertreten ist die Kohlekraft in Polen. Dort sind derzeit 71 Kraftwerke in Betrieb. Doch auch dort wurde bereits das Ende des Kohlezeitalters eingeläutet. 2021 verständigte sich die polnische Regierung mit den Gewerkschaften auf eine Schließung aller Kohlekraftwerke bis 2049. Das Ministerium für Staatsvermögen, das die Verhandlungen auf Seiten der Regierung geführt hatte, nannte die Grundsatzeinigung „historisch“.

Die Vereinbarung sieht unter anderem Abfindungszahlungen für 120.000 Arbeiter im Kohlesektor sowie Fonds für das schlesische Kohlebecken vor.

"Dreckschleudern" im Süden

Trotz der hohen Anzahl an Kohlekraftwerken vor allem in Deutschland und Polen. Wie eingangs erwähnt, sind diese beiden Länder für die meisten Emissionen durch Kohle in der EU verantwortlich. Für Europa sieht das Bild jedoch anders aus. Denn die größten Luftverpester sind im Süd-Osten von Europa beheimatet.

Die unabhängige Forschungsorganisation "Centre for Research on Energy and Clean Air (CREA)“ hat die Verschmutzungsdaten von Kohlekraftwerken aus ganz Europa zusammengetragen – und kam dabei zu einem fatalen Ergebnis: Die 18 kohlebefeuerten Kraftwerke in Serbien, Bosnien, Nordmazedonien, Montenegro und Kosovo stoßen zweieinhalb mal so viel giftiges Schwefeldioxid aus als alle 221 Anlagen in der EU gemeinsam.

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Zur Veranschaulichung: Das mit Abstand größte Kohlekraftwerk in der EU, im polnischen Belchatow, stößt 1,1 Tonnen giftiges Schwefeldioxid pro Gigawattstunde (GWh) aus. Im bosnischen Ugljevik, wo rund 1.600 Menschen arbeiten, ist es die fast 50-fache Menge.

Geld aus China

Während die EU den Kohleausstieg anpeilt, ist auf dem Balkan davon so bald nicht die Rede. Zwar sollen auch die Staaten des Westbalkans die Energiewende in der Region vorantreiben – doch bisher ist davon noch nichts zu spüren.  Bosnien etwa produziert rund 60 Prozent seines Stroms mit Kohle. 

Geld und Investitionen dafür kamen zuletzt nahezu ausschließlich aus China. Für den Ausbau des Blocks 7 im Wärmekraftwerk Tuzla (Bosnien und Herzegowina) etwa stellte die chinesische Eximbank einen Kredit von über 600 Millionen Euro zur Verfügung. Dagegen allerdings zog die Europäische Energiegemeinschaft (ECS), der die Balkanstaaten angehören, die Notbremse: Sie sah darin eine unerlaubte staatliche Subvention und eröffnete ein Streitbeilegungsverfahren. Daraufhin zog sich der amerikanische Co-Investor zurück. Block 7 des ohnehin hoch-verschmutzenden Kraftwerkes in Tuzla dürfte damit vorerst nicht gebaut werden.

Gestorben ist im Vorjahr auch ein Projekt für ein neues Kohlekraftwerk im Kosovo. Premier Albin Kurti hat sich kategorisch gegen das Riesenprojekt nahe der Hauptstadt Pristina ausgesprochen.  Es hätte die Hälfte des Energiebedarfes decken sollen. Das kleine Kosovo stößt mit seinen Kohlekraftwerken schon jetzt mehr Schwefeldioxid aus als etwa Italien.