Wie Europas Rechte auf Social Media täglich Grenzen überschreiten
Was der italienische Innenminister Matteo Salvini vor Kurzem auf Twitter publizierte, sorgte für viel Aufregung. Man sieht ihn grinsend, fast schon wie auf einem Urlaubsfoto posierend, in Rom. Hinter ihm ein kleines Boot, das er so kommentiert: "Keine Angst, da sind keine illegalen Migranten drauf". 11.000 Twitterherzen fliegen Salvini für so einen Tweet zu.
Salvini will dabei nicht witzig sein, sondern einfach nur provozieren. In jedem Fall aber bringt es ihm Aufmerksamkeit. Auch viele andere europäische Rechtspopulisten nutzen diese Art der direkten Kommunikation, überschreiten dabei täglich Grenzen der politischen Verantwortung. Jeder auf seine eigene Art:
Alice Weidel
Alice Weidel von der deutschen AfD, die sich auf Twitter übrigens mit ihrem Titel "Dr." vor dem Namen findet, zeigt im Gegensatz dazu recht wenig Kreativität und auch wenig Lockerheit. Sie zieht eine sehr stringente, ernste und plakative Twitter-Strategie durch - und diese ist vor allem gegen Angela Merkel und Flüchtlinge gerichtet. Fast jedes Posting hat etwas mit der Asylfrage zu tun. Weidel geht sogar so weit, der deutschen Bundeskanzlerin die direkte Schuld an dem Tod der kleinen Susanna zu geben, die vor wenigen Wochen von einem irakischen Asylwerber ermordet wurde.
Geert Wilders
Der niederländische Rechtspopulist nutzt Twitter in erster Linie, um seine Ablehnung gegen den Islam kund zu tun. "Islam oder Freiheit", ruft er an seine Followerschaft. Derzeit veranstaltet Wilders gerade einen Wettbewerb für neue Mohammed-Karikaturen. Er lässt seine Follower teilhaben, wenn er nach London fährt, um auf Demos für britische Rechtsextreme zu sprechen und schimpft über die niederländische Regierung und EU-Institutionen. Wilders fordert ganz offen den "Nexit" - das niederländische Pendant zum Brexit - und "Grenzen dicht", denn immer wieder bedient er auch das Bild einer angeblichen "Invasion" der Niederlande durch Muslime.
Jörg Meuthen
Den deutschen AfD-Bundessprecher Jörg Meuthen - auf Twitter ebenfalls als "Prof. Dr." zu erkennen - empört, dass der deutsche WM-Sündenbock Mesut Özil bei der Bundeshymne Koranverse murmelt (Anmerkung: Özil sagte vor neun Jahren in einem Interview, er bete vor Spielen und als das mit Deutschland 2014 zum Weltmeistertitel reichte, schien es niemanden zu stören) und lässt auch sonst kaum Grenzen des guten Geschmacks erkennen. Angela Merkels Kanzlerschaft nennt er "Herrschaft des Unrechts". Brüssel würde in seinem "Zentralisierungswahn" angeblich Deutschland bald im "sozialistischen Gleichschritt" fahren lassen, weil es eine angeblich Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen plane (Anmerkung: eine derartige Absicht ist derzeit nicht bekannt). Seine wahren Verbündeten in Europa sieht er in Leuten wie Matteo Salvini, Heinz-Christian Strache und (zu dessen kundgetaner Missbilligung) auch in Sebastian Kurz.
Nigel Farage
Der Mann, der mit seiner Partei den Brexit in Großbritannien auf den Weg gebracht hat, ist aus der führenden Rolle in der Oppositionspolitik mittlerweile zurückgetreten, sitzt aber noch als Mandatar im von ihm verachteten EU-Parlament und macht ansonsten offenbar lieber Talk-Shows. Diese und andere Medienauftritte (etwa in den USA bei Fox & Friends, einer von Donald Trumps liebsten Shows) bewirbt er in sozialen Medien. Farage trommelt auf Twitter für eine harte Ausgestaltung des Brexit, prügelt auf Linke ein, die bei der Fußball-WM Diskussionen über Fähnchen an Autos führen und kritisiert jedwede real existierende Migrationspolitik. "Merkels Migrationspolitik ist die schlimmste Entscheidung, die ein westlicher Anführer in modernen Zeiten getroffen hat. Diese eine Entscheidung hat ihre Karriere komplett zerstört und Europa für immer verändert", findet er etwa.
Heinz-Christian Strache
Österreichs Vizekanzler Heinz-Christian Strache zeigt sich auf Twitter überraschend ruhig und distanziert. Das liegt wohl daran, dass "sein Publikum" eher auf anderen Plattformen zu finden ist. Facebook ist da schon eher seines. Und hier lässt er sich auch ordentlich und ausführlich aus über die Dinge, die ihm Unmut bereiten.
Matteo Salvini
Der Vorsitzende der fremdenfeindlichen Lega und neue italienische Innenminister gibt sich viel grinsend, dabei aber spöttisch und zynisch. Oft beschäftigt ihn die Situation mit Migranten im Mittelmeer. "Nach Jahren der Worte kommen die Fakten in nur einem Monat!", frohlockt er über seine Weigerung, Schiffe aufzunehmen. Darüber klagende NGOs verhöhnt er: "Wie leid mir das tut …". Im Stile eines Auszählreims kommentiert Salvini die Irrfahrt des “geächteten” NGO-Schiffs Lifeline, nachdem bereits die Aquarius aus Italien verbannt wurde: “Und zwei!” Genüsslich postet Salvini auch einen Artikel über einen gambischen Flüchtling, der angeblich ein Attentat geplant hatte. Er schreibt: "Mit dem Boot angekommen, um Italiener zu töten! Und dann soll ich 'böse' sein?“ Zu einem Schnappschuss, der Emmanuel Macron (eines seiner bevorzugten rhetorischen Ziele) nach einer Umarmung mit Papst Franziskus zeigt, schreibt Salvini: "Habt ihr schon Einen gesehen, der den Papst streichelt???" Salvinis Schimpfen auf den französischen Staatspräsidenten ist wohl auch willkommene Schützenhilfe für dessen Verbündete, Marine Le Pen, vom Rassemblement National (vormals Front National).
Marine Le Pen
Le Pen sind die Flüchtlingsrettungsschiffe im Mittelmeer ein Dorn im Auge. "Der harte Weg muss genutzt werden, um diesen Migrantenverkehr zu stoppen", schreibt die Parteichefin. Sie bezeichnet NGOs, die hunderte Menschen vor dem Ertrinken retten, als „Komplizen der Schmuggler" und kritisiert, dass diese in Frankreich hohe Auszeichnungen bekommen.
Anders als Salvini, kommentiert Le Pen das Ergebnis des Brüsseler Migrationsgipfels und schiebt ihrem Widersacher Macron den Schwarzen Peter zu: „Diese Vereinbarung löst das Problem der wandernden Unterwanderung überhaupt nicht. Aber es hat einen Vorteil: Länder, die jetzt das Recht haben, Nein zu sagen. #Macron wird ausschließlich für die Masseneinwanderung in Frankreich verantwortlich sein.“ Mit einer Lösung der Migrationsfrage scheint sich die europäische Rechte ohnehin nicht zufriedengeben zu wollen. Le Pen retweetete einen Post ihrer Jugendorganisation "Generation Nation“ mit folgenden, bedrohlich klingenden Worten: „Unser Kampf bezieht sich nicht nur auf Wahlen oder auf die Politik. Es ist ein Zivilisationskampf. Unsere Generation muss Widerstand leisten, sich nicht abfinden und morgen die Macht übernehmen. Wir haben Frankreich geerbt: Wir werden wissen, wie man würdig ist!“