Politik/Ausland

Wagner-Chef: Eroberung von Bachmut erst "in drei bis vier Wochen"

Der Widerstand der ukrainischen Truppen in Bachmut erwirkt offenbar allmählich ein Umdenken bei den russischen Militärs. "In drei bis vier Wochen" könne die seit Monaten umkämpfte Stadt erobert werden, schätzte Jewgeni Prigoschin, Chef der berüchtigten Wagner-Söldner, am Donnerstag auf einem ihm zugeschriebenen Telegram-Kanal. Erst vor wenigen Tagen hatte er noch behauptet, Bachmut sei eingenommen worden. Kiew deutete unterdessen erstmals vage einen möglichen Rückzug an.

Es gelte aus russischer Sicht weiterhin, die Versorgungslinien der ukrainischen Verteidiger zu durchtrennen. Erst danach könne aus mehreren Richtungen zur Eroberung und "Zerstörung von militärischen Schlüsselobjekten" im Stadtinneren übergegangen werden, so der Wagner-Chef. Prigoschin sprach am Donnerstag vor dem Hintergrund Dutzender Gräber seiner Söldner. Seine Truppen haben in den vergangenen Wochen bei Bachmut schwere Verluste erlitte. "Ja, er wächst", sagte er über den Friedhof. "Diejenigen, die kämpfen, sterben manchmal."

Starke Verluste

"Die Kämpfer von Wagner werden hier weiterhin begraben und es gibt damit bis heute kein Problem", fügt Prigoschin in dem Video hinzu. "Wir werden (...) aus diesem Friedhof ein Denkmal für die zukünftigen Generationen machen."

Die Wagner-Kräfte führen Offensiven in der Ostukraine an, etwa um die Stadt Bachmut, wo sich die längsten und blutigsten Kämpfe der russischen Militärkampagne abspielen. Beide Seiten haben dort starke Verluste erlitten.

Russische Behörden haben seit September 2022 keine neuen Schätzungen zu getöteten Soldaten veröffentlicht - damals zählte das Verteidigungsministerium 5.937 Tote. Diese Zahl enthält aber nicht die Wagner-Kämpfer, die kein Teil der regulären Armee sind. Schätzungen aus westlichen Ländern legen rund 150.000 Tote und Verletzte auf jeder der beiden Seiten nahe.

Die im Jahr 2014 gegründete Wagner-Gruppe war in Konflikte in Afrika, Lateinamerika und dem Nahen Osten verwickelt. Prigoschin hatte bis Februar monatelang Gefängnisinsassen rekrutiert und ihnen bei Rückkehr nach Russland nach überlebtem Kampfeinsatz in der Ukraine Amnestie versprochen.

Selenskij deutet vage Abzug an

Die ukrainischen Truppen in Bachmut leisten seit Monaten erbitterten Widerstand gegen die Angriffe russischer Truppen, die von Wagner-Söldnern angeführt werden. Der Großteil der Stadt und Teile des Zentrums stehen bereits unter russischer Kontrolle. Im Westteil der Stadt mit ehemals 70.000 Einwohnern haben sich die ukrainischen Einheiten jedoch verschanzt. Russland ist vor mehr als 13 Monaten in die Ukraine einmarschiert.

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij sprach unterdessen von einer schwierigen Lage und deutete erstmals vage einen möglichen Abzug aus Bachmut an. "Für mich ist das Wichtigste, dass wir unsere Soldaten nicht verlieren, und natürlich werden die Generäle vor Ort die richtigen Entscheidungen treffen, wenn sich die Lage weiter zuspitzt und die Gefahr besteht, dass wir unsere Leute verlieren, weil sie eingekesselt werden."

Bachmut sei zusammen mit den südwestlich gelegenen Ortschaften Awdijiwka und Marjinka derzeit "das Epizentrum der Feindseligkeiten", teilte das ukrainische Militär mit. Die Regierung in Kiew hat bisher betont, an Bachmut festhalten zu wollen. "Bachmut hat die wichtige Aufgabe, Russland so viele Verluste wie möglich zuzufügen und vor allem einen Gegenangriff vorzubereiten", der Ende April erwartet werde, erklärte der Militäranalyst Pavel Naroschny im ukrainischen "NV Radio".

Kiew uneins zu Verhandlungen über Krim 

Widersprüchliche Aussagen kamen unterdessen von der ukrainischen Führung über mögliche Verhandlungen über den Status der von Russland annektierten Halbinsel Krim. "Wenn wir auf dem Schlachtfeld unsere strategischen Ziele erreichen und an die Verwaltungsgrenzen der Krim gelangen, so sind wir bereit, die diplomatische Seite zu öffnen und die Sache zu bereden", sagte der stellvertretende Chef des Präsidentenbüros in Kiew, Andrij Sybiha, der "Financial Times" am Donnerstag.

Allerdings widersprach kurze Zeit später der Präsidentenberater Mychailo Podoljak. Mit Russland werde erst verhandelt, wenn sich seine Truppen aus dem gesamten Territorium der Ukraine zurückgezogen hätten. Dazu gehöre auch die Krim, twitterte Podoljak. Selenskij hat bisher ebenfalls Verhandlungen mit Moskau abgelehnt, so lange sich noch russische Soldaten auf ukrainischem Gebiet befinden - inklusive der bereits 2014 von Russland annektierten Halbinsel Krim.

Militärexperten erwarten in diesem Frühjahr eine Offensive der ukrainischen Truppen, um von Russen besetzte Gebiete zurückzuerobern. Die Pläne sind laut Kiew aktuell nur ganz wenigen Menschen bekannt. "Höchstens drei bis fünf Personen", sagte am Donnerstag der Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates, Olexij Danilow, in einem Rundfunkinterview.

Sollte es die ein oder andere Erklärung zur Offensive geben, müsse dies nicht unbedingt der Wahrheit entsprechen, sagte Danilow. Die Ukrainer würden schon erkennen, "wann es denn losgeht". Danilow deutete an, dass die Planungen für den Großangriff bereits abgeschlossen seien.

Als wahrscheinlichste Stoßrichtung gilt laut Militärexperten ein Vorgehen im Süden des Landes auf die Küste, um einen Keil zwischen die dort stationierten russischen Truppen zu treiben. Allerdings ist unklar, ob die vom Westen an Kiew gelieferten Waffen ausreichen werden, um den Erfolg eines solchen Einsatzes zu gewährleisten.

Nach Angaben Sybihas schließt Kiew eine militärische Eroberung der Krim dabei nicht aus. Der Berater des Präsidentenbüros, Mychajlo Podoljak, stellte zudem klar, dass es nicht um territoriale Zugeständnisse bei den Gesprächen gehe. "Echte Verhandlungen" mit Moskau könne es erst nach dem kompletten Rückzug der russischen Truppen von ukrainischem Gebiet einschließlich der Krim geben, beharrte er auf der bekannten Position Kiews.

Westliche Militärexperten befürchten aber, dass dies zu einer erheblichen Eskalation des Krieges führen und Kremlchef Wladimir Putin gar zum Einsatz von Atomwaffen provozieren könnte, da Moskau die strategisch wichtige Halbinsel als eigenes Staatsgebiet betrachtet. Die Atommacht hatte stets betont, die Krim mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zu verteidigen.