Politik/Ausland

Ukraine: USA verlegen weitere 3.000 Soldaten nach Polen

Angesichts der Ukraine-Krise verlegen die US-Streitkräfte rund 3.000 weitere Soldaten in den NATO-Partnerstaat Polen. Das habe Verteidigungsminister Lloyd Austin auf Geheiß von Präsident Joe Biden angeordnet, erklärte das Verteidigungsministerium in Washington am Freitag. Unterdessen hielt die US-Regierung einen russischen Einmarsch in die Ukraine noch vor dem Ende der Olympischen Winterspiele in China am Sonntag nächster Woche für möglich.

 

 

"Wir befinden uns in einem Zeitfenster, in dem eine Invasion jederzeit beginnen könnte, sollte sich der russische Präsident Wladimir Putin dazu entschließen, sie anzuordnen", sagte der Nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan am Freitag im Weißen Haus. "Ich werde mich nicht zu den Einzelheiten unserer Geheimdienstinformationen äußern. Aber ich möchte klarstellen, dass sie (die Invasion) während der Olympischen Spiele beginnen könnte, obwohl es viele Spekulationen gibt, dass sie erst nach den Olympischen Spielen stattfinden würde."

Putin zu Besuch in Peking

Vor dem Hintergrund der Spannungen mit den USA sind Russland und China enger zusammengerückt. Kurz vor der Eröffnung der Olympischen Winterspiele war Putin Ende vergangener Woche in Peking mit dem chinesischen Staats- und Parteichef Xi Jinping zusammengekommen. Putin suchte dabei insbesondere Rückendeckung in der Ukraine-Krise. Spekuliert wurde, dass der Kremlchef die Olympischen Spiele in China auch aus Rücksicht auf Gastgeber Xi nicht durch einen Einmarsch in die Ukraine überschatten wolle.

Sullivan betonte, der US-Regierung lägen keine Informationen vor, dass Putin bereits eine endgültige Entscheidung für eine Invasion getroffen habe. Der Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden sagte aber auch: "Wir sehen weiterhin Anzeichen für eine russische Eskalation, einschließlich neuer Truppen, die an der ukrainischen Grenze eintreffen." Ein möglicher Angriff könne verschiedene Formen annehmen, darunter auch ein Vormarsch auf die Hauptstadt Kiew.

Nicht bestätigen wollte Sullivan Informationen eines Journalisten des US-Senders PBS. Dieser hatte am Freitag unter Berufung auf westliche Regierungsvertreter auf Twitter geschrieben hatte, dass Putin einen entsprechenden Beschluss gefasst habe und dass die USA in der kommenden Woche mit einer Invasion rechneten.

"Land sobald wie möglich verlassen"

Sullivan forderte amerikanische Staatsbürger in der Ukraine dazu auf, das Land "so bald wie möglich" zu verlassen. "Wir wissen nicht genau, was passieren wird, aber das Risiko ist jetzt hoch genug", sagte er. "Alle Amerikaner in der Ukraine sollten das Land so bald wie möglich verlassen - und auf jeden Fall in den nächsten 24 bis 48 Stunden." Auch Großbritannien, Dänemark, Lettland und Estland forderten am Freitag ihre jeweiligen Bürger auf, die Ukraine zu verlassen.

Falls es zu einem russischen Einmarsch kommen sollte, dürfte es zunächst Luftangriffe und dann eine Bodenoffensive geben, weswegen es dann kaum mehr möglich sein dürfte, das Land zu verlassen, sagte Sullivan. "Niemand könnte sich auf Luft-, Eisenbahn- oder Landverbindungen verlassen, nachdem ein Militäreinsatz beginnt", sagte er. Es werde in einem solchen Fall keinen Evakuierungseinsatz des US-Militärs für Amerikaner in der Ukraine geben, fügte Sullivan hinzu.

 

Biden hatte amerikanische Staatsbürger bereits am Donnerstag dazu aufgefordert, die Ukraine umgehend zu verlassen. Sullivan drohte Russland im Falle einer Invasion der Ukraine mit einer "Welle der Verurteilung aus aller Welt". Russlands Macht und Einfluss würden auf lange Sicht hin nicht gestärkt, sondern geschwächt, sagte Sullivan. Moskau werde dann mit einer "entschlossenen transatlantischen Gemeinschaft" konfrontiert sein. Es werde "massiven Druck" auf die russische Wirtschaft gebe.

US-Präsident Biden hatte sich am Freitag vor Sullivans Auftritt mit westlichen Verbündeten ausgetauscht, darunter mit dem deutschen Kanzler Olaf Scholz. Das Weiße Haus teilte mit, die Beratungen per Videokonferenz hätten fast 80 Minuten lang gedauert. Nach Angaben aus deutschen Regierungskreisen betonten die westlichen Verbündeten in der Schaltung noch einmal ihre Entschlossenheit, mit schnellen und tiefgreifenden Sanktionen auf eine mögliche russische Invasion in der Ukraine zu reagieren.

EU und NATO schätzen die Lage "sehr, sehr ernst" ein

In Berlin hieß es anschließend, die Lage werde von den Teilnehmern aus Europäischer Union und NATO als "sehr, sehr ernst" eingeschätzt. "Alle diplomatischen Bemühungen zielen darauf ab, Moskau zur Deeskalation zu bewegen", schrieb Regierungssprecher Steffen Hebestreit auf Twitter. "Es gilt, einen Krieg in Europa zu verhindern."

Neben Biden und Scholz waren EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, EU-Ratschef Charles Michel, NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron, der britische Premierminister Boris Johnson, Polens Präsident Andrzej Duda, der rumänische Staatspräsident Klaus Iohannis, Italiens Ministerpräsident Mario Draghi und Kanadas Premier Justin Trudeau zu der Schalte eingeladen.

Macron reiste nach Moskau

Frankreich teilte nach dem Gespräch mit, Präsident Macron werde am Samstag erneut mit seinem russischen Kollegen Wladimir Putin sprechen. Die beiden hatten zuletzt mehrfach telefoniert. Am Montag war Macron zu Gesprächen nach Moskau gereist. Am Freitag telefonierte der russische Generalstabschef Waleri Gerassimow mit seinem US-Kollegen Mark Milley. Es seien "aktuelle Fragen der internationalen Sicherheit" diskutiert worden, hieß es am Abend aus dem Verteidigungsministerium in Moskau.