Politik/Ausland

Slowakischer Regierungschef Fico nach Attentat außer Lebensgefahr

Vier Tage nach dem Anschlag auf den slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico ist er nach Angaben seines Stellvertreters mittlerweile außer Lebensgefahr. "Es gibt keine direkte Gefahr für sein Leben mehr", sagte Vize-Regierungschef Robert Kalinak am Sonntag vor Journalisten über Fico. Der Zustand des 59-jährigen Regierungschefs sei aber weiter "ernst und er benötigt weiter intensivmedizinische Behandlung".

Am Samstag informierte Kalinak in einem längeren Interview mit TA3 über den Gesundheitszustand des Regierungschefs. Demnach erholt sich Robert Fico von insgesamt vier Schusswunden. „Zwei davon waren leicht, eine mittelschwer und eine sehr schwer.“ In einer fünfstündigen Operation konnte der Politiker zunächst stabilisiert werden.

Zweiter mehrstündiger Eingriff

In einem zweiten, ebenfalls mehrstündigen Eingriff musste Gewebe um eine Schusswunde entfernt werden. Der Grund: Laut Robert Kalinak hatte es sich um eine sogenannte schmutzige Verletzung gehandelt. Das heißt, dass die Gefahr einer Infektion sehr hoch war.

Orbán: "In dieser Situation hätten wir Fico und eine Slowakei, die für den Frieden ist, dringend gebraucht"

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán wünschte seinem Kollegen unterdessen eine rasche Genesung. Selbst wenn sich Fico erhole, werde er in einer schwierigen Zeit vor der Europawahl Anfang Juni nicht arbeiten können, sagte Orbán dem öffentlichen Rundfunk. 

"Wir stehen vor einer Wahl, die nicht nur über die Mitglieder des Europäischen Parlaments entscheidet, sondern zusammen mit der Wahl in den USA den Verlauf von Krieg und Frieden in Europa bestimmen kann", sagte Orbán. "In dieser Situation hätten wir Robert Fico und eine Slowakei, die für den Frieden ist, dringend gebraucht."

Pellegrini: "Rote Linie überschritten"

Der designierte Staatspräsident Peter Pellegrini hatte nach einem kurzen Krankenhaus-Besuch am Donnerstag berichtet, er habe mit Fico sprechen können - aber "er war sehr müde. Es war nicht möglich, mit ihm länger oder über Politik zu sprechen." Mit dem Attentat sei eine "rote Linie" überschritten worden, erklärte der gewählte Staatspräsident. 

"Der Regierungschef ist dem Tod um Haaresbreite entgangen, es hätte genügt, wenn die Schusswunde oder mehrere Schusswunden ein paar Zentimeter weiter gelegen seien, und wir müssten heute vielleicht über ganz andere Dinge reden." Die Situation sei weiter sehr kritisch, betonte auch Pellegrini.

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Rücktritt brächte gesamte Regierung zu Fall 

Sollte es zum Rücktritt des Regierungschefs aus gesundheitlichen Gründen kommen, würde damit gemäß der slowakischen Verfassung automatisch die gesamte Regierung zu Fall gebracht. Dass ein Ministerpräsident wegen eines Attentats die Amtsgeschäfte nicht fortführen kann, scheinen die Väter des Grundgesetzes nicht berücksichtigt zu haben.

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Allerdings könnte der Wechsel an der Spitze der Regierung 2018 als Muster dienen. Damals hatte Fico unter öffentlichem Druck nach dem Mord am Journalisten Jan Kuciak sein Amt niedergelegt. Die Koalitionsparteien einigten sich auf Peter Pellegrini als gemeinsamen Kandidaten für die Nachfolge, der dann von der Präsidentin ernannt wurde. Solange Fico bis zur vollen Genesung nur pausiert, führen seine Stellvertreter in der Zeit die Regierungsgeschäfte weiter - mit Kalinak als Erstem in der Reihenfolge.

Gegen den mutmaßlichen Attentäter wurden strafrechtliche Ermittlungen wegen versuchten Mordes aufgenommen. Es handelt sich um einen 71-Jährigen aus der Kleinstadt Levice. Der Mann sei ein "einsamer Wolf", der mit der politischen Entwicklung in der Slowakei unzufrieden sei, sagte Innenminister Matus Sustaj Estok. Er sei jedoch kein Mitglied einer radikalisierten politischen Gruppierung, weder einer rechten noch einer linken.

Sicherheitsvorkehrungen in Handlova kritisiert

Das Augenmerk richtet sich inzwischen auch auf mögliche Versäumnisse bei den Sicherheitsmaßnahmen in der Kleinstadt Handlova, wo es nach einer Kabinettssitzung zu den Schüssen kam, als Fico an einem Zaun versammelten Anhängern die Hände schütteln wollte. Die Behörden prüfen, ob seine Personenschützer den Regierungschef nicht ausreichend geschützt haben oder Vorfälle dieser Art in einer offenen Gesellschaft schlicht kaum zu verhindern sind. 

Mehrere Experten kritisierten die Sicherheitsvorkehrungen vor Ort oder sprachen sogar von einem "Versagen". Manche Medien warfen zudem die Frage auf, wie ein offenbar auf einer Polizeiwache - möglicherweise sogar von einem Beamten - aufgenommenes Video des mutmaßlichen Attentäters an die Öffentlichkeit gelangen konnte.

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Unterdessen luden die scheidende Staatspräsidentin Zuzana Caputova und ihr gewählter Nachfolger Pellegrini die politischen Parteien zu gemeinsamen Gesprächen ein. "Lassen Sie uns aus dem Teufelskreis des Hasses und der gegenseitigen Beschuldigungen aussteigen", appellierte Caputova in Bratislava. Pellegrini rief die Parteien auf, ihren Wahlkampf vor der Europawahl am 9. Juni vorerst auszusetzen oder zumindest einzuschränken. Im Nachbarland Tschechien sagten die Gewerkschaften einen für den 21. Mai geplanten Protesttag mit Demonstrationen aus Rücksicht auf die Situation in der Slowakei ab.