Schallenberg im Iran: Ein Angebot, aber kein Durchbruch
Von Michael Hammerl
„Die Situation ist miserabel, und sie wird schlechter“, konstatiert Christoph Grabmayr, österreichischer Delegierter der Wirtschaftskammer im Iran. 2017 ist er in die Hauptstadt Teheran gekommen – durchaus mit Hoffnungen. Heute kann er kein Geld mehr abheben. US-Banken machen Geldtransfers nach Teheran unmöglich. Die iranische Wirtschaft stirbt einen langsamen Tod. Öl und Gas werden maximal über den Schwarzmarkt verschifft. Die Währung – der Rial – verliert massiv an Wert. Im Vergleich zum vergangenen November haben sich etwa die Benzinpreise verdreifacht.
Ein Österreicher über die tägliche Mühsal
Die Mittelschicht erodiert. Das merkt vor allem der „kleine Mann“, weil er sich das obligatorische Hochzeitsgeschenk – eine Goldmünze – nicht mehr leisten kann. Das merkt allerdings auch Grabmayr, weil er nach Wien fliegen, Bargeld abheben und es wieder nach Teheran bringen muss, damit er Arbeit und Leben finanzieren kann.
Wer ist schuld an dieser Situation? Im Juli 2015 bekundeten die Weltmächte, dem viel gescholtenen Iran eine Chance geben zu wollen – trotz Menschenrechtsverletzungen, trotz Anti-Amerikanismus und Israel-Hetze. Im Wiener Atomabkommen einigte man sich darauf, dass der Iran nur so viel Uran anreichern darf, dass es für ökonomische Zwecke reicht – nicht aber für eine Atombombe. Im Gegenzug wollte der Westen Wirtschaftssanktionen lockern.
Das funktionierte bis 2018 einigermaßen. Doch dann setzte US-Präsident Donald Trump sein Wahlversprechen um, und die USA stiegen aus dem Atomdeal aus. Seitdem kollabiert die iranische Wirtschaft. Schuld daran mag einerseits Trump sein. Aber: Selbst vor dem US-Ausstieg trauten sich nicht sonderlich viele Investoren aus dem Westen in den Gottesstaat.
Kleine Angebote
Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg hat sich ein Ziel gesetzt: Er will vermitteln. Deshalb reiste er am Wochenende in die Hauptstadt.
Auf dem Weg vom Flughafen zum Außenministerium in Teheran blicken unentwegt zwei Ayatollahs und der von den USA getötete General Qassem Soleimani von Plakat- und Hauswänden. Soleimani der Märtyrer, nach dessen Tod das Regime wuchtige Kriegsrhetorik bemühte.
Schallenberg will in dieser schwierigen Lage dem Iran die Hand reichen. Besuche bei Zarif und Präsident Hassan Rohani standen auf der Tagesordnung. Vor dem Treffen gab sich Schallenberg in kleinerer Runde sehr zurückhaltend. Ja, das Wiener Atomabkommen solle am Leben erhalten werden, das habe Priorität, doch: „Man muss die Dialogmöglichkeiten einmal ausloten, einen Durchbruch erwarte ich mir nicht.“
Es gehe um „Mosaiksteinchen“, um Ideen, die er in langwierigen Gesprächen über die EU-Grenzen hinaus zusammengetragen habe und jetzt zur Sprache bringen möchte. Nach dem Treffen stellt er fest: „Sehr offen“ seien die Gespräche gewesen. Inhaltlich ging es um den Erhalt des Atomdeals, auch ein bisschen um Menschenrechte und Antisemitismus im Iran. Wenigstens die erste Botschaft dürfte angekommen sein, schenkt man dem Außenminister Glauben.
Auch Migranten als Thema
Schallenberg hat dem Iran im Namen der EU ein Angebot unterbreitet: Man wolle dem Gottesstaat dabei helfen, afghanischen Migranten, die sich im Land aufhalten, die Heimkehr „zu ermöglichen“.
Das dürfte auch in europäischem Interesse sein. Etwa 80 Prozent der Migranten, die derzeit in Griechenland ankommen, sind Afghanen – und ein Großteil von ihnen kommt offenbar aus dem Iran.
Iran in Corona-Angst
Auch beim Coronavirus will die EU Hilfe leisten. Seit Freitag machen die iranischen Nachbarländer die Grenzen dicht, Flüge werden abgesagt. Im Iran hat es bisher nach offiziellen Angaben fünf Corona-Tote gegeben. Ein Bürgermeister ist erkrankt, halb Teheran trägt Schutzmasken, am Sonntag blieben sämtliche Universitäten geschlossen.
Neue Allianz?
Es wird schon recht deutlich, was die EU dem Iran anbieten kann: humanitäre Hilfe und Kooperation bei kleineren Projekten. „Ich sehe große Bereitschaft von iranischer Seite“, meint Schallenberg.
Doch auch ihm wurde aufgezeigt: Was nach dem Atomdeal geschehen ist, hat für massives Misstrauen gesorgt. Selbst Österreich, das aufgrund lang gepflegter, historischer Beziehungen einen guten Ruf im Iran genießt, hat 2019 den Import iranischer Waren quasi eingestellt. Das Handelsvolumen zwischen der EU und dem Iran sank von 18 auf fünf Milliarden Euro, vergleicht man 2018 mit 2019. Europäische Banken stoppten auf Zuruf aus den USA und aus Angst vor Sekundärsanktionen Überweisungen.
Konservative gewannen Parlamentswahl
Was die Sache noch schwieriger macht: Seit den Wahlen am Freitag haben die Konservativen im Iran eine klare Mehrheit im Parlament. Der Atomdeal war die Errungenschaft des Reformers Rohani, der kommendes Jahr nicht mehr als Präsident kandidieren darf. Die Konservativen haben den Deal immer kritisch gesehen und dürften bald alle politischen Institutionen kontrollieren. Was die USA anbelangt: Sie fordern sowieso einen neuen Deal. Gut möglich, dass der Iran bis zu den US-Wahlen im November einmal pokern wird.