Politik/Ausland

Putins Jahres-Pressekonferenz: Breitseiten vor 1.900 Journalisten

Bei Pressekonferenzen von Wladimir Putin sind die Fragen oft zumindest ebenso interessant wie die Antworten. Wenn da etwa eine junge Journalistin die Frage stellt, ob es dem russischen Machthaber denn nicht leid täte, dass bei den Feierlichkeiten im kommenden Mai zum 75. Jahrestag des Sieges im „großen vaterländischen Krieg“ in Moskau nicht Vertreter aller Ex-Sowjetrepubliken anwesend sein werden (Georgien und Ukraine). Oder wenn dann im Anschluss gleich die Frage kommt, ob man nicht Michail Gorbatschows „illegale Aktionen“ bei der Auflösung der Sowjetunion strafrechtlich verfolgen sollte. Dieser habe ja schließlich die territoriale Integrität der Sowjetunion verletzt und nur daher gebe es all die Probleme mit der Ukraine, Georgien und Belarus.

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Am Donnerstag gab Wladimir Putin seine alljährliche Marathon-Pressekonferenz. Eine Bühne für den Kremlchef, die er gerne immer wieder nutzt, um für ein internationales wie heimisches Publikum die ganze Latte an Themen abzugrasen, die im Raum stehen: Klimaschutz, Ukraine-Krieg, Doping, Trump-Impeachment, Gas-Export, Kaukasus, Russland zugeschriebene Morde im Ausland, Lenin-Mausoleum.

Und die Antworten Putins sind wenig überraschend: Russland will Frieden in der Ukraine, alle Vorwürfe gegen Trump seien frei erfunden, Russland habe sich nie in den US-Wahlkampf eingemischt, die US-Demokraten seien um sich schlagende Verlierer in diesem Spiel, die Welt um Russland zeige alarmierende, gefährliche Signale und übe illegitimen Druck auf Russland sowie die Nachbarn Russlands aus, sich gegen Moskau zu stellen. Und genau: Lenin müsse seinen Platz in der Geschichte haben, es gehe aber darum, in die Zukunft zu blicken.

Putins Sprecher Peskow führt durch die Zeremonie, erteilt das Wort. Immer wieder Applaus, immer wieder aber auch Zwischenrufe in der aus 1900 russischen und internationalen Journalisten bestehenden Zuseherschaft.

Die diesjährige Pressekonferenz stand dabei ganz im Zeichen der bevorstehenden Feierlichkeiten zum 75. Jahrestag des Sieges der Sowjetunion gegen Nazideutschland im kommenden Mai. Die alljährliche Parade zu diesem Jahrestag – konkret die Gästeliste – war auch bisher ein Gratmesser für die Haltung des Auslands gegenüber Moskau. Im kommenden Jahr wird Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zu den Feierlichkeiten erwartet. Frankreich tritt für eine Annäherung Europas an Russland ein. Bei einem Treffen in Paris hatte Macron Putin demonstrativ herzlich mit Küsschen begrüßt.

"Bürgerkrieg" in Ukraine

Vor allem in der Ukraine-Krise sind europäische Staaten vermehrt auf der Suche nach einem Ausgleich. Und so kam das Thema bei der Pressekonferenz auch immer wieder auf. Dabei schickte Putin klare Gesetzeswünsche an Kiew: Verfassungsänderung, Wahlen noch vor Übergabe der Grenze an ukrainische Behörden und direkte Gespräche zwischen Kiew und Vertretern der abtrünnigen Gebiete. An anderer Stelle wiederum wies Putin jede Verwicklung in diesen „Bürgerkrieg“ zurück.

Und während er nicht mit scharfen Worten gegen die USA sparte (er kündigte eine spiegelgleiche Reaktion auf US-Sanktionen wegen Nord-Stream-2 an), blieb er gegenüber europäischen Staaten zurückhaltend. Vor allem eines wünschte er: Engere Kooperation. Was den Mord an einem Tschetschenen in Berlin im vergangenen August angeht, für den ein Russe mit einer von staatlicher russischer Seite verliehenen Scheinidentität verantwortlich gemacht wird, so ging Putin in die Offensive: Das Opfer sei ein Verbrecher, Terrorist und Extremist mit Blut an den Händen gewesen.

Der Mord hatte nach dem Paris-Gipfel für Aufsehen gesorgt: Putin hatte das Mordopfer mit Terroranschlägen in Russland in Verbindung gebracht und von einem Auslieferungsantrag gesprochen, der an deutsche Behörden ergangen sei. Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel hatte damals erwidert, dass es einen solchen Antrag nie gegeben hatte und es keinerlei Anhaltspunkte gebe, dass der Mann in Terroranschläge involviert gewesen sei.

Böser Totalitarismus

Neben eingangs erwähnten Streichelfragen gab es aber durchaus auch einige harte Fragen an Putin. So zu totalitären Tendenzen. Dazu Putin: „Totalitarismus ist böse und muss aus der Welt geschafft werden.“ Russland sei in der Geschichte doch eines der größten Opfer totalitärer Systeme.

Putin ist in diesem Jahr seit 20 Jahren an der Macht – zeitweilig auch in der Funktion des Regierungschefs. Seine laut Verfassung vorerst letzte mögliche Amtszeit als Präsident dauert bis 2024. Heiß diskutiert wird in Russland, ob der 67-Jährige das Zepter der Macht an einen Nachfolger übergibt oder weiter im Amt bleibt. Möglich wäre das über eine Verfassungsänderung. Der Kreml hatte zuletzt betont, dass vor Putin noch sehr viel Arbeit liege – und es zu früh sei, über das Jahr 2024 zu sprechen. Dazu sagte Putin am Donnerstag, dass eine Verfassungsänderung in Erwägung gezogen werde, die Anzahl der Amtsperioden auf zwei zu limitieren.

Auf die eingangs erwähnte Frage zur Parade im Mai antwortete Putin übrigens derart: Ja, es sei schon schade, dass nicht alle Staatschefs der ehemaligen Sowjetunion nach Moskau kämen. Diese würden eben die Opfer des Krieges gegen den Faschismus nicht ehren.