Programmiertes Herzschlagfinale bei Brexit-Verhandlungen
Nach der halbwegs gütlich gelungenen Scheidung geht der Streit zwischen den entfremdeten Ex-Partnern doch noch los – so in etwa lässt sich die Missstimmung zwischen der EU und ihrem Ex-Mitglied Großbritannien beschreiben. Schon längst sollte der Rahmen für die künftige Zusammenarbeit gezimmert sein, vom Handel bis zur Sicherheitspolitik.
Doch die EU mit Verhandlungsführer Michel Barnier ackert seit Monaten mit der Regierung in London eine Verhandlungsrunde nach der anderen durch – und kommt bei den strittigsten Fragen nicht voran: den gemeinsamen Regeln.
Auf die pocht man in der EU: Man will keinen künftigen Handelspartner Großbritannien, der die Wettbewerbsfähigkeit der EU unterläuft, indem er sich nicht an europäische Standards hält oder üppigere Staatssubventionen ausschüttet. Für London wiederum ist der Europäische Gerichtshof ein absolutes No-Go: Man pocht auf unabhängige Schiedsgerichte, um künftige Konflikte zu klären. Und dann wäre da noch der Streit um die Fischquoten in den britischen Gewässern. Wobei London hier jüngst Bewegung zeigte und signalisierte: An den Fischen würden die Gespräche nicht scheitern.
Die Zeit drängt: Bis Ende Oktober sollten sich Brüssel und London einigen, um ein Abkommen noch bis Jahresende unter Dach und Fach zu bekommen. Ein Herzschlagfinale bei den Verhandlungen ist also so gut wie programmiert. Ausgang: ungewiss.
Und mitten in den Gespräche leitete die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Großbritannien ein. Es richtet sich gegen das Vorhaben Londons, den Austrittsvertrag umzudeuten.