Polen: Amtsinhaber Duda nach ersten Prognosen knapp vorne
Bei der Stichwahl um das Präsidentenamt in Polen zeichnet sich nach ersten Prognosen ein Kopf-an-Kopf-Rennen ab. Auf den nationalkonservativen Amtsinhaber Andrzej Duda entfielen demnach am Sonntag 50,4 Prozent der Stimmen, sein oppositioneller Herausforderer enthielt 49,6 Prozent.
Die Prognosen beruhen auf der Grundlage von Nachwahlbefragungen in rund 500 Wahlbüros. Nach Angaben des Meinungsforschungsinstituts Ipsos haben sie eine Fehlertoleranz von zwei Prozentpunkten. Hochrechnungen wie in Deutschland gibt es in Polen nicht. Das offizielle Endergebnis wird nach Angaben der Wahlkommission frühestens am Montagabend vorliegen.
Trotz eines ungewissen Ausgangs der Stichwahl um das Präsidentenamt in Polen hat sich Andrzej Duda in einer ersten Reaktion bereits als Sieger bezeichnet. "Lang lebe Polen! Die Wahl bei einer Beteiligung mit 70 Prozent zu gewinnen, ist eine außergewöhnliche Nachricht. Ich bin berührt. Danke an meine Landsleute", sagte der nationalkonservative Politiker am Wahlabend in Pultusk, etwa 60 Kilometer nördlich von Warschau. Später sprach er von einem "Sieg, momentan noch nach Prognosen".
Walesa
Lech Walesa, der gelernte Elektriker, der dem kommunistischen Regime in Polen in den 80er-Jahren erfolgreich Paroli bot, setzte am Wahlsonntag ein unübersehbares Zeichen: Der 76-jährige frühere Staatspräsident kam zur Stichwahl für das höchste Amt des Landes in einem Pulli, auf dem in großen Lettern „Konstytucja“ (Verfassung) prangte. Der Friedensnobelpreisträger bezog damit einmal mehr Stellung vor allem gegen den Umbau des Justizsystems durch die nationalkonservative Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) und den amtierenden Präsidenten Andrzej Duda.
Walesa, der einst an der Spitze der Gewerkschaftsbewegung Solidarnosc für Demokratie kämpfte, sieht diese jetzt durch Duda gefährdet: „Sie repräsentieren eine Haltung, die die Gewaltenteilung sprengen will, für welche die Solidarnosc gekämpft hat“, warf er Duda schon Anfang des Jahres öffentlich vor.
Wobei das eigentliche politische Match Walesa gegen Jaroslaw Kaczynski lautet – den 71-jährigen Chef der Regierungspartei PiS, der im Hintergrund alle Fäden zieht. Duda wird von seinen Kritikern denn auch gern als „Kaczynskis Kugelschreiber“ verspottet. Warum? Duda hätte von Amts wegen missliebige Gesetze mit seinem Veto blockieren können, stattdessen ermöglichte er der PiS-Regierung ein reibungsloses Regieren – oft genug auch gegen alle Proteste aus der Europäischen Union, die sich um die Freiheit der Justiz und der Medien sorgt.
Eine Kritik, die nicht viel bewirkte. Am Sonntag musste sich Duda aber nach seinem Scheitern im ersten Wahlgang vor zwei Wochen einem ausgewiesenen Europa-Befürworter stellen: dem Liberalen Rafal Trzaskowski, Bürgermeister von Warschau und Vize-Chef der oppositionellen Bürgerplattform (PO). Das Duell der beiden 48-Jährigen ist jedenfalls als Richtungskampf zu sehen: der Entscheidung zwischen „Weiter so“ und „Der Macht auf die Finger schauen“.
Parteiischer TV-Sender
Der Wahlkampf war äußerst hart. Polens Saatssender, seit Jahren als Propagandaorgan der PiS bekannt, lobte Duda im Wahlkampf in den Himmel und griff Trzaskowski aufs Schärfste an. Von ausgewogener Berichterstattung und fairen Wahlen könne daher nach Ansicht von Kritikern keine Rede sein. In Warschau wird daher spekuliert, dass die Opposition im Fall von Trzaskowskis Niederlage die Wahl anfechten könnte.
Doch auch Duda könnte im Fall seiner Niederlage den Urnengang anfechten, sagen Experten. Warum? Weil der Wahltermin im Mai wegen der Corona-Pandemie verstrichen ist, aber nicht offiziell abgesagt wurde. Daher könnte eine Kammer des Obersten Gerichts beim Verfassungsgericht Beschwerde einreichen, dass die Wahlen nicht rechtmäßig waren.
So oder so könnte schon bald das Rennen um das höchste Amt im Staat erneut beginnen. Dabei waren die vergangenen Wochen bereits geprägt von Beschimpfungen der Kandidaten und Rempeleien unter den Anhängern wie bislang nie zuvor. Unabhängig vom Ergebnis und den politischen Konsequenzen der Wahl, wird sich die tiefe Spaltung des Landes nicht so schnell verändern. Sehr grob gesagt zieht sie sich zwischen Provinz und Stadt, mitunter geht die Trennlinie aber auch quer durch Familien.