Politik/Ausland

Nach Kritik: Der UN-Migrationspakt im Faktencheck

Wochen vor der geplanten Unterzeichnung sorgt der Migrationspakt der Vereinten Nationen für Wirbel. Der bisherige Entwurf sieht vor, Migration besser zu organisieren. Schätzungen des Auswärtigen Amts in Berlin zufolge werden dem Text mehr als 180 Staaten zustimmen. Es gibt jedoch auch einflussreiche Staaten wie die USA, Ungarn, Österreich oder Tschechien, die nicht mitmachen wollen.

Die deutsche Bundesregierung verteidigt den Pakt und kritisiert Falschinformation im Internet. Andere befürchten massenhafte Zuwanderung und wollen den Pakt stoppen - wie zum Beispiel die AfD. Die Kritik und ein Blick auf die Fakten:

BEWERTUNG: Höchstwahrscheinlich falsch

FAKTEN: Der Migrationsforscher Olaf Kleist ist sich sicher, dass eine Zustimmung zum Pakt keine Auswirkung auf die Menge von Zuwanderern haben wird. "Die Anzahl von Migranten weltweit ist seit Jahrzehnten konstant, das wird sich dadurch auch nicht ändern", sagt Kleist. Dies sei weder Sinn des Paktes, noch liefere er die Grundlage dafür. "Bei dem Pakt geht es auch darum, Migration zu beschränken und Schmuggler zu bekämpfen". Es gehe keinesfalls darum, irreguläre Migration zu erleichtern.

Ähnlich äußert sich die Professorin für Völkerrecht Anne Peters. Zwar könne aus einem Dokument wie dem UN-Migrationspakt ein sogenanntes Völkergewohnheitsrecht entstehen, dies funktioniere jedoch nur, wenn eine Rechtsüberzeugung erkennbar werde. "Wenn die Staaten - wie hier - ausdrücklich sagen, dass es sich um ein nicht rechtsverbindliches Dokument handelt, kann man hieraus keine Rechtsüberzeugung entnehmen", erläutert Peters. Dementsprechend könne kein Migrant vor einem deutschen Gericht auf Grundlage des Pakts klagen.

Zudem finden sich in dem Entwurf auch Forderungen, die Lebenssituation in den Herkunftsländern so zu beeinflussen, dass es weniger Gründe gibt, diese überhaupt zu verlassen.

Alle Inhalte anzeigen
  • 2. Behauptung: Migration wird weitgehend positiv dargestellt

BEWERTUNG: Richtig

FAKTEN: Bereits zu Beginn des Entwurfs findet sich folgender Satz: "Wir erkennen an, dass sie [Migration] in unserer globalisierten Welt eine Quelle des Wohlstands, der Innovation und der nachhaltigen Entwicklung darstellt und dass diese positiven Auswirkungen durch eine besser gesteuerte Migrationspolitik optimiert werden können."

Risiken kommen fast immer in Bezug auf die Gefahren zur Sprache, denen Migranten ausgesetzt sind. Nur in einem Fall geht es um Risiken innerhalb der Zielländer: "Dieser Globale Pakt [...] folgt der Erkenntnis, dass ein umfassender Ansatz erforderlich ist, um [...] die Risiken und Herausforderungen anzugehen, die sich den einzelnen Menschen und den Gemeinschaften in den Herkunfts-, Transit- und Zielländern stellen", heißt es in dem Entwurf.

Doch es geht nicht nur um den Schutz der Zuwanderer, auch die Sicherheit innerhalb der Zielländer soll garantiert werden - unter anderem sollen die Herkunftsstaaten schnell und unbürokratisch Ausweise ausstellen. Zudem beinhaltet der Entwurf ein Bekenntnis zur zwischenstaatlichen Zusammenarbeit im Grenzschutz.

Laut Völkerrechtlerin Peters kann die positive Sprache auf den Erarbeitungsprozess zurückzuführen sein: "Zwar wurden in mehreren Runden Vertreter der Zivilgesellschaft einbezogen, es kamen jedoch ersichtlich keine oder kaum migrationskritische Gruppen zu Wort." Zudem könne das "innenpolitisch motivierte Zurückschrecken" von Staaten wie den USA oder Österreich auf ein Transparenzdefizit während der Erarbeitung des Textes hindeuten, so Peters.

Alle Inhalte anzeigen
  • 3. Behauptung: Migranten erhalten die gleichen Rechte wie Flüchtlinge

BEWERTUNG: Falsch

FAKTEN: Die Präambel des Pakts betont, dass nur Flüchtlinge ein Recht auf Schutz im Sinne des internationalen Flüchtlingsrechts haben. Eine Gleichstellung von Migranten und Flüchtlingen findet sich nur mit Blick auf die Menschenrechte. Diese beinhalten jedoch keinen Anspruch darauf, dauerhaft in einem anderen Land wohnen und arbeiten zu dürfen.

Als Flüchtling laut Genfer Flüchtlingskonvention gilt, wer begründete Furcht vor Verfolgung wegen seiner "Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung" hat. Das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) erweitert diese Definition noch um Menschen, die vor Kriegen und deren Folgen fliehen. Wer sein Heimatland aufgrund seiner wirtschaftlichen Situation verlässt, ist dementsprechend kein Flüchtling.

Kritiker des Paktes wenden ein, eine mögliche Stärkung der Rechte und Ansprüche von Migranten in den Aufnahmeländern biete einen zusätzlichen Anreiz für Wanderungsbewegungen.

 

Alle Inhalte anzeigen
  • 4. Behauptung: Medien sollen nur über die Vorteile der Zuwanderung berichten

BEWERTUNG: Dieser Vorwurf lässt sich nicht aus dem UN-Migrationspakt ableiten. Allerdings ist die Androhung von Sanktionen gegen Medien durch ein internationales Dokument in dieser Form ungewöhnlich.

FAKTEN: Der Migrationspakt sieht vor, die Übereinkunft in Zusammenarbeit mit Medien und anderen Institutionen umzusetzen. Dabei müsse die Medienfreiheit unbedingt gewahrt bleiben. Die Unterzeichner des Paktes sollen aber auch bereit sein, unter bestimmten Umständen staatlich finanzierten Medien die Unterstützung zu streichen. Dieser Fall träte ein, wenn jene aus öffentlichen Geldern finanzierten Medien "systematisch Intoleranz, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und andere Formen der Diskriminierung gegenüber Migranten fördern".

Deutsche Medien sind nach Einschätzung des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) von diesem Teil des Paktes nicht betroffen: "Ich gehe davon aus, dass dieser Passus für autokratische Regime bestimmt ist, aber nicht für die Bundesrepublik Deutschland", sagt der Sprecher des DJV, Hendrik Zörner. "Bei uns gibt es keine Medien, die vom Staat finanziert werden, von daher gilt diese Aussage für Deutschland nicht." Die Landesmedienanstalten in Deutschland, die Aufsichtsbehörden für private Radio- und Fernsehsender, bewerten diesen Passus ähnlich.

  • 5. Behauptung: Deutschland verpflichtet sich, Migranten aufzunehmen

BEWERTUNG: Falsch

FAKTEN: Sogar das Gegenteil ist der Fall: Die Herkunftsstaaten verpflichten sich, Emigranten aus ihren Ländern "eine sichere und würdevolle Rückkehr und Wiederaufnahme zu ermöglichen". Eine Verpflichtung zur Aufnahme von Migranten gibt es nicht. Genauso bleibt die Souveränität der einzelnen Staaten unangetastet. Die Politologin und Migrationsexpertin Petra Bendel betont: "Kein Staat wird zu bestimmten Maßnahmen gezwungen." Vor Gericht könnte ein Migrant zwar auf den Pakt verweisen. "Er könnte aber nicht unter Berufung auf dieses Dokument konkrete Rechte auf dem Klageweg einfordern."

Die gleiche Auffassung vertritt Völkerrechtlerin Peters. Ziffer 15 besage ausdrücklich, dass der Pakt einen nicht rechtsverbindlichen kooperativen Rahmen bilde. "Dort wird auch explizit das souveräne Recht der Staaten, ihre nationale Migrationspolitik zu bestimmen, und ihr Vorrecht, Migration innerhalb ihrer Hoheitsgewalt zu regeln, bekräftigt", sagt die Expertin für internationales Recht. Gegen eine Rechtsverbindlichkeit spreche auch, dass der Text keine Ratifikationsklausel enthalte. Im Gegensatz zu wichtigen Verträgen wie dem völkerrechtlich verbindlichen Pariser Klimaabkommen ist laut Peters nicht vorgesehen, dass die Teilnehmerstaaten den Text in nationales Recht umsetzen.

Im Entwurf sind zudem keine Sanktionen vorgesehen, sollte sich ein Staat nicht an den Pakt halten. Der Generalsekretär der UN soll alle zwei Jahre berichten, inwieweit der Pakt bereits umgesetzt wurde. Zudem ist die Umsetzung alle vier Jahre etwa durch Regierungsvertreter, Nichtregierungsorganisationen und UN-Vertreter zu überprüfen.

Alle Inhalte anzeigen