Politik/Ausland

Norditalien wegen Coronavirus abgeriegelt: "Wir sind nicht im Krieg"

Im Kampf gegen die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus greift Italien zu immer drastischeren Mitteln. Die wirtschaftsstarke Lombardei und 14 andere Gebiete sind weitgehend abgeriegelt. Die Regierung in Rom erließ am Sonntag ein grundsätzliches Ein- und Ausreiseverbot für Gebiete in Norditalien. Gültig ab sofort.

Das sagte Ministerpräsident Giuseppe Conte in der Nacht auf Sonntag. Zu den betroffenen Gebieten gehören unter anderem die Wirtschaftsmetropole Mailand und der Touristenmagnet Venedig.

Ausnahmen bei dem grundsätzlichen Ein- und Ausreiseverbot sind nur aus nachgewiesenen dringenden beruflichen oder familiären Gründen und in gesundheitlichen Notfällen möglich. Die Polizei werde Personen jedoch aufhalten und sie nach dem Grund ihrer Reise fragen können, so der Premier. Jugendliche rief Conte auf, zu Hause zu bleiben und damit die Gesundheit ihrer älteren Angehörigen zu schützen.

Die Maßnahmen sollen bis 3. April gelten. 

Außerdem verhängte die Regierung den Angaben nach Einschränkungen für ganz ItalienDas Dekret sieht demnach ein Verbot aller kulturellen, sportlichen und religiösen Veranstaltungen vor. Museen, Kinos, Theater, Diskotheken, Tanzschulen und ähnliche Einrichtungen müssen vorerst ebenso schließen wie Wintersport-Stationen. Die Schulen und Universitäten sind bereits seit Donnerstag in ganz Italien geschlossen.

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Italiens Handelsverband: "Supermärkte nicht stürmen"

Der italienische Handelsverband Confcommercio hat die Italiener aufgefordert, Supermärkte aus Angst vor knapp werdenden Lebensmittel nicht zu stürmen. Menschenansammlungen in den Supermärkten seien aus Gründen der öffentlichen Gesundheit zu vermeiden. Die Belieferung der Supermärkte sei garantiert. Viele Supermärkte würden auch Einkäufe in die Wohnung liefern.

Am Sonntag wurden mehrere Supermärkte in der Lombardei aus Sorge bestürmt, es könnte zu Problemen bei der Warenlieferung kommen. Viele Geschäfte blieben am Sonntag in Mailand geschlossen.

"Die Supermärkte sind voll mit Waren und ständig offen. Wir sind nicht im Krieg, sondern wir bekämpfen eine Infektion", versuchte der lombardische Präsident, Attilio Fontana, im Interview mit dem TV-Sender Sky Tg24 zu beruhigen.

Der Mailänder Bürgermeister Giuseppe Sala rief seine Mitbürger auf, zu Hause zu bleiben. "Wir müssen unseren Lebensstil ändern und soziale Kontakte eingrenzen. Nur wenn wir geschlossen zusammenarbeiten, werden wir schneller diese schwierige Phase überwinden", sagte der Bürgermeister in einem am Sonntag veröffentlichten Appell auf seiner Facebook-Seite.

Ein Viertel unter Quarantäne gestellt 

Das Dekret gilt für die gesamte Lombardei, einen Teil der Region Venetien, den Norden der Emilia-Romagna und den Osten des Piemont. Betroffen sind damit rund ein Viertel der 60 Millionen Einwohner Italiens.

Allein in der Lombardei leben zehn Millionen Menschen, davon knapp 1,4 Millionen in Mailand. Die Region ist das wirtschaftliche und industrielle Herz Italiens.

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Conte spricht von "nationaler Notlage"

"Wir stehen vor einer nationalen Notlage", sagte Conte. "Wir haben sie von Anfang an mit maximalen Vorsichtsmaßnahmen bekämpft", ergänzte der Ministerpräsident. "Wir haben zwei Ziele: Die Ausweitung der Ansteckung einzudämmen und eine Überlastung der Krankenhauseinrichtungen zu vermeiden."

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"Eingeschränkte Mobilität" in Sperrgebieten

Auch innerhalb der neuen Sperrzonen dürfen sich Bewohner nicht mehr völlig frei bewegen, wie der Premier ankündigte. "Es herrscht eine eingeschränkte Mobilität", sagte er den Angaben zufolge. Man solle sein Haus nur aus gutem Grund verlassen. Bars und Restaurants dürften nur von 6.00 bis 18.00 Uhr öffnen, allerdings nur, wenn sie dafür sorgten, dass zwischen den Gästen ein Abstand von mindestens einen Meter gewährleistet sei. Diese Regelung betrifft auch religiöse Orte wie Kirchen, Zeremonien wie Taufen oder Hochzeiten müssen verschoben werden. Auch für Geschäfte wurden die Zeiten eingeschränkt.

Vorsichtsmaßnahmen von Nord nach Süd

Die süditalienischen Regionen ergreifen Vorsichtsmaßnahmen, um eine Ausbreitung der Coronavirus-Epidemie zu verhindern. Personen, die die Sperrzone in Norditalien verlassen haben und nach Kampanien, Sizilien und Basilikata reisen, müssen sich einer zweiwöchigen Heimquarantäne unterziehen, beschlossen die Präsidenten der drei süditalienischen Regionen.

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Einige tausend Österreicher in Norditalien

Einige tausend Österreicher halten sich derzeit in den unter Quarantäne gestellten Roten Zonen Norditaliens auf. "Wir schätzen, dass in der Nacht bereits zahlreiche Personen aus den sogenannten Roten Zonen zurückgekehrt sind", sagte Peter Guschelbauer, Sprecher des Außenministeriums.

Trotz der Reisebeschränkungen glaube man, dass Menschen, die in den unter Quarantäne gestellten Regionen ihren Wohnsitz haben, zurückkehren können, wenn sie außerhalb weilen. "Wir haben unsere Reiseinformationen aktualisiert und alle Auslandsösterreicher bzw. bei uns registrierten Reisenden via SMS und Mail informiert", sagte Guschelbauer.

Italien in Europa am stärksten betroffen

Italien ist der Staat in Europa mit den meisten bestätigten Sars-CoV-2-Infektionen. Die Zahl der Infizierten und Toten steigt trotz umfangreicher Gegenmaßnahmen stetig an. Bis Samstag zählten die Behörden 5883 Menschen mit einer Infektion. 233 Menschen davon sind gestorben.

Am Samstag begann die Regierung damit, Ärzte aus dem Ruhestand zu holen. Insgesamt sollen 20.000 neue Mitarbeiter für das Gesundheitssystem rekrutiert werden, vor allem Krankenschwestern und -pfleger.

Um die Krise in den Griff zu bekommen, hat die Regierung in Rom unter anderem schon vorher alle Schulen im Land, die Kindergärten und Universitäten bis Mitte März geschlossen.

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