Politik/Ausland

Späte Warnung vor der Flut? Deutschland und die Suche nach Schuldigen

Ein dunkler Klang tönte am Sonntag vom Berliner Breitscheidplatz über die Dächer der Bundeshauptstadt – die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche läutete für die Betroffenen der Hochwasserkatastrophe erstmals seit dem Terroranschlag 2016 ihre größte Glocke. Fast 160 Todesopfer wurden bisher gezählt, mehr als 700 Menschen sind verletzt, viele werden noch vermisst.

Während sich das Wasser langsam zurückzieht, nimmt die Debatte um die Verantwortung und die Rolle des Katastrophenschutzes Fahrt auf. Im Zentrum steht die Frage, ob die vielen Toten hätten verhindert werden können. Die Menschen seien zu spät und zu wenig gewarnt und evakuiert worden, lauten die Kommentare aus den Reihen sämtlicher Parteien. Auch Experten meldeten sich zu Wort. Von "monumentalem Versagen" schreibt Hannah Cloke, Professorin für Hydrologie an der britischen Universität Reading, in der Sunday Times. Sie hat das Europäische Hochwasser-Warnsystem mitentwickelt, das nach den Überschwemmungen von 2002 an Elbe und Donau gegründet wurde. Dieses System, so Cloke, hätte bereits am 10. Juli "Warnungen an die deutsche und die belgische Regierung" übermittelt.

„Warnkette gebrochen“

Aber "irgendwo ist diese Warnkette gebrochen, sodass die Warnungen nicht bei den Menschen angekommen sind", sagte sie gegenüber dem ZDF. Zudem seien detaillierte Diagramme verschickt worden, die anzeigten, wo das Hochwasser am heftigsten auftreten werde.

Mit diesen Vorwürfen sah sich am Montag eine Regierungssprecherin konfrontiert. Sie bezeichnete die Suche nach Fehlern als "zu verfrüht" und verwies auf die Zuständigkeiten. Bei Bränden oder Überschwemmungen sind Länder und Kommunen für die Bewältigung der Lage verantwortlich. Reichen deren Kräfte nicht, hilft das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, das zum Innenministerium gehört.

Wann genau die deutsche Regierung gewarnt wurde, konnte die Sprecherin nicht sagen, ebenso wenig das Verkehrsministerium. Zu ihm gehört der Wetterdienst, der die Katastrophenschutzeinrichtungen in den Ländern warnt und informiert. Laut diesem haben die Gemeinden schon vorigen Montag von Regenmengen bis zu 200 Litern pro Quadratmeter erfahren, so Franz-Josef Molé, Leiter der Vorhersage- und Beratungszentrale. Aus seiner Sicht hätten die Orte aber aufgrund der exorbitant hohen Wassermengen "gar nicht geschützt werden können".

Kritik am Katastrophenschutz wollte Innenminister Horst Seehofer (CSU) beim Besuch vor Ort nicht gelten lassen ("billige Wahlkampfrhetorik"). Zugleich kündigte er an, dass die Abläufe aufgearbeitet würden. Die Meldewege hätten vonseiten des Bundes funktioniert, auf Länderebene wolle er sich nicht einmischen.