Politik/Ausland

Hinrichtungswelle im Iran: Auch ein EU-Bürger wurde gehängt

Im Schatten des abnehmenden Interesses für die Geschehnisse im Iran fand eine regelrechte Hinrichtungswelle statt. Innerhalb von zehn Tagen wurde alle sechs Stunden jemand erhängt. Die Menschen werden dabei mit einem Kran an einem Galgen hochgezogen - das bedeutet oft einen langen und qualvollen Tod.

Unter den Hingerichteten ist der iranisch-schwedische Staatsbürger Habib Chaab. Er gehörte der iranisch-arabischen Minderheit der Ahwazi an und war politischer Aktivist. Chaab wurde unter einem Vorwand nach Istanbul gelockt, dort in den Iran entführt, schwer gefoltert und einen Monat später wegen "Korruption auf Erden" angeklagt. Er hinterlässt in Schweden eine Frau und zwei kleine Kinder.

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Todesstrafe für Deutsch-Iraner

Seine Hinrichtung ist nicht nur im Hinblick auf den offenen Atom-Deal brisant, sondern auch, weil das iranische Regime noch etliche andere Doppelstaatsbürger gefangen hält und sie unter Folter zu Geständnissen erpresst, bzw. sie zu einer Todesstrafe verurteilt hat. Darunter ist etwa der Deutsch-Iraner Jamshid "Jimmy" Sharmahd, dem aktuell jederzeit die Hinrichtung droht. Dem 68-jährigen Aktivisten und Softwareentwickler wird vorgeworfen, Chef einer pro-monarchistischen Gruppe zu sein.

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Wenig überraschend haben diverse EU-Politiker vom schwedischen Außenminister bis zum EU-Außenbeauftragten Joseph Borrell die Hinrichtung verurteilt und die Islamische Republik aufgefordert weitere Exekutionen zu unterlassen. Weitere Konsequenzen gab es bisher keine.

In diesem Video bettelt ein Mädchen verzweifelt um das Leben ihres Vaters. Kurz darauf soll er hingerichtet worden sein:

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Weltweit höchste Zahl an Hinrichtungen

Insgesamt sind im Iran laut UNO in diesem Jahr bereits mindestens 209 Menschen hingerichtet worden. Darüber zeigte sich der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, am Dienstag entsetzt. Der Iran gehöre damit zu den Ländern mit den meisten Hinrichtungen weltweit. Die genaue Zahl liege wahrscheinlich höher, könne aber wegen mangelnder Transparenz der Behörden nicht ermittelt werden. Allein heute Mittwoch sollen sieben weitere Hinrichtungen dazugekommen sein.

Unter den Opfern seien vor allem Personen, die offiziell wegen Drogendelikten verurteilt worden waren und unverhältnismäßig viele Angehörige von Minderheiten. Zu Wochenbeginn wurden zwei Männer wegen des Vorwurfs der Blasphemie hingerichtet - es ging dabei um zwei Postings, die sie auf Twitter veröffentlicht hatten. Auf dem Handy eines Betroffenen wurde zudem ein Video gefunden, in dem der Koran verbrannt wurde. Das hat gereicht, um die beiden exekutieren zu lassen.

Nach UN-Informationen wurden im vergangenen Jahr vermutlich mindestens 580 Menschen hingerichtet. „Das ist ein abscheulicher Rekord, vor allem wenn man bedenkt, dass es einen wachsenden Konsens für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe gibt“, sagte Türk. Er rief die iranischen Behörden dazu auf, Hinrichtungen auszusetzen und auf die Abschaffung der Todesstrafe hinzuarbeiten.

Verstöße gegen Kopftuchpflicht

Unterdessen gehen Frauen im Iran immer öfter ohne das verpflichtende Kopftuch auf die Straße und riskieren damit Haft und Verfolgung. In den sozialen Medien kursieren unzählige Bilder von Frauen, die mit offenem Haar, mit kurzen Ärmeln oder sogar im Kleid auf den Straßen Irans spazieren.

Dass das oft nicht ohne Konsequenzen bleibt, zeigt der Fall von zwei Schauspielerinnen: Den beiden Kino-Stars wird vorgeworfen, sich in den vergangenen Tagen ohne Kopftuch in der Öffentlichkeit gezeigt zu haben. In den vergangenen Wochen wurde aus demselben Grund bereits gegen vier weitere bekannte iranische Schauspielerinnen vorgegangen.

Die 37-jährige Baran Kosari soll laut der Nachrichtenagentur Tasnim am Freitag bei einer Beerdigung kein Kopftuch getragen haben. „Fotos von ihr wurden sofort im Internet und einigen Medien veröffentlicht“, meldete die Nachrichtenagentur. Der 44-jährigen Shaghayegh Dehghan werde vorgeworfen, „in einem Café keinen Hidjab getragen“ zu haben, berichtete die Nachrichtenagentur Mehr.

Massives Vorgehen gegen Proteste

Beide Frauen sind durch Rollen in iranischen Kinofilmen bekannt. Im Falle einer Anklage drohen den Schauspielerinnen Strafzahlungen oder Gefängnisstrafen.
Seit dem Tod der wegen Verstoßes gegen die Kopftuchpflicht festgenommenen Mahsa Amini in Polizeigewahrsam im September fordern im Iran zahlreiche Menschen - und vor allem viele Frauen - mehr Rechte ein. Immer mehr Frauen gingen in den vergangenen Monaten ohne Kopftuch in die Öffentlichkeit, es gab zahlreiche Demonstrationen. Die Sicherheitskräfte gehen massiv gegen die Proteste vor.

Die Pflicht für iranische Frauen, in der Öffentlichkeit ein Kopftuch zu tragen, war kurz nach der Iranischen Revolution im Jahr 1979 eingeführt worden. Schon damals gab es große Proteste, deren Niederschlagung mit den Jahren immer brutaler wurde.

Die iranische Polizei hatte im April angekündigt, „intelligente“ Technologien an öffentlichen Orten einsetzen zu wollen, um Frauen ausfindig zu machen, die die Kleidervorschrift brechen. Nach Behördenangaben wurden bereits 150 Gewerbebetriebe geschlossen, in denen Mitarbeiterinnen oder Kundinnen sich nicht an die Kleiderordnung hielten.