Politik/Ausland

Heute D-Day in Rom: Wer wird nächster Staatspräsident?

aus Mailand Andrea Affaticati

Nach einem viertägigen ergebnislosen Kräftemessen könnten sich die Parteien heute, Freitag, geeinigt und die Italiener so endlich ein neues Staatsoberhaupt haben. Premier Mario Draghi, der bis vor ein paar Tagen noch als der chancenreichste Kandidat galt, scheint zurückgefallen zu sein. Favorit ist jetzt der 67-jährige Senator Pier Ferdinando Casini, der seit 1983 im Parlament sitzt und noch aus der ehemaligen Christdemokratischen Partei DC kommt.

Diese ersten drei Wahltage waren ein Kräftemessen zwischen dem Mitte-Rechts- und dem Mitte-Links-Lager, denn keines verfügte über einen Kandidaten, der die erforderliche Zweidrittel-Mehrheit der Stimmen bekommen hätte. Und so flatterten zum Großteil weiße Stimmzettel in die Urnen. Am Donnerstag enthielten sich die Parlamentarier und Vertreter der Regionen aus dem Mitte-Rechts-Lager überhaupt der Stimmabgabe.

Alle Inhalte anzeigen

Die Wahl erschwert hat diesmal das Ausbleiben einer klaren Mehrheit eines Lagers und ein fehlender Vermittler zwischen den Parteien – im Gegenteil: Nicht nur die Fronten zwischen den Lagern verhärteten sich, es kam auch zu internen Spannungen.

Italien braucht Draghi  als Premier

Wobei die Unstimmigkeiten im Mitte-Links-Lager der Kandidatur von Premier Mario Draghi wahrscheinlich am meisten geschadet haben: Der Chef der Demokratischen Partei, Enrico Letta, setzte auf ihn, der Vorsitzende der Fünf-Sterne-Bewegung und Vorgänger von Draghi, Giuseppe Conte, stellte sich jedoch quer. "Italien braucht Draghi weiter im Amt des Premiers", ließ Conte kurz vor einem Treffen mit Letta wissen.

Ihm ging es dabei nicht nur um die noch bevorstehenden Reformen, die benötigt werden, um die Wiederaufbaugelder aus dem EU Recovery Fonds zu sichern: Viele Parlamentarier der Bewegung fürchten, dass mit Draghi im höchsten Amt und einem neuen Regierungschef vorgezogene Wahlen so gut wie sicher wären. Und die Umfragen für die Fünf-Sterne-Bewegung sehen nicht gut aus.

Alle Inhalte anzeigen

Auch im Mitte-Rechts-Lager herrschte Uneinigkeit, obwohl Matteo Salvini, Chef der nationalpopulistischen Lega, immer wieder das Gegenteil versicherte. Wochenlang hat man sich von Silvio Berlusconi hinhalten lassen, ohne vorsorglich nach einer passenden Alternative zu suchen.

Als am Mittwoch nach dem dritten Wahldurchgang beiden Lagern einleuchtete, dass man so nicht weiter kommen würde, beschloss man, sich zusammenzusetzen, um sich, wie Salvini mitteilte, "auf eine Persönlichkeit mit hoch angesehenem institutionellem Profil zu einigen". Letta hatte schon vor Tagen vorgeschlagen: "Wir müssen uns in ein Zimmer sperren und bei Wasser und Brot so lange diskutieren, bis wir uns auf einen Kandidaten geeinigt haben."

Heute, Freitag, könnte jedenfalls der D-Day für die Wahl des italienischen Staatsoberhauptes sein – auch ohne eine solch drastische Maßnahme.