Politik/Ausland

Wahltag in Israel: Regierung könnte so "rechts wie noch nie" werden

Israels Regierung könnte "so rechts wie noch nie" werden. So lautet ein Szenario des Ausgangs der bevorstehenden Parlamentswahlen von dem Nahost-Experten Peter Lintl von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik. Im Gespräch mit der APA wertete er einen Sieg des Lagers um Benjamin Netanjahu am Dienstag für am wahrscheinlichsten - oder Neuwahlen.

Den jüngsten Umfragen zufolge hätte der konservative Likud zusammen mit den ultraorthodoxen Parteien Shas sowie Jahadut HaThora plus der rechtsextremen Partei "Religiöse Zionisten" mit 60 Mandaten gerade ein Mandat zu wenig für eine Regierungsmehrheit. Alles stehe und falle mit der Wahlbeteiligung, sowohl auf arabischer als auch auf israelischer Seite. "Eine niedrige Wahlbeteiligung ist sehr gut für Benjamin Netanjahu", sagte Lintl. 20 Prozent der Wahlberechtigten sind Palästinenserinnen und Palästinenser mit einem israelischen Pass. Umfragen sehen ihre Wahlbeteiligung bei 40 Prozent oder etwas höher. "Jede arabische Stimme ist eine gegen den Netanjahu-Block."

Käme es zu Neuwahlen, würde bis dahin die Regierung von Jair Lapid weitergeführt. Das käme diesem zugute, sagte Lintl. Lapid könne zwar keine grundsätzlichen Entscheidungen realisieren, aber er könne sich und seine Richtung weiterhin präsentieren.

Ein drittes Szenario - neben Neuwahlen - hält Lintl für "äußerst fraglich": Dass eine Partei aus dem Anti-Netanjahu-Lager deshalb Teil einer Koalition unter dem wegen Korruption angeklagten früheren Premierminister wird, um eine rechtsextreme Partei in der Regierung zu verhindern, sei unwahrscheinlich.

Eine Regierungsbeteiligung der rechtsextremen Partei würde Israel nach Ansicht von Lintl stark verändern und Israels Stellung in der Welt verschlechtern. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich deutsche Ministerinnen und Minister gern mit rechtsextremen Politikern fotografieren lassen."

Angekündigt für den Fall einer rechten Koalition unter Netanjahu ist bereits eine sogenannte Justizreform. Diese sieht eine Entmachtung des Obersten Gerichtshofs vor: Das Parlament könnte demnach Entscheidungen des Gerichts überstimmen.

Viele Herausforderungen

Laut Lintl gibt es eine Reihe von Themen, die eine Regierung in Angriff nehmen müsste. "Drängend" sei jedenfalls "das palästinensische Thema. Die Westbank droht zu kollabieren. Die Auseinandersetzungen zwischen Siedlern, Palästinensern und Militär nehmen immer stärker zu."

Die kommende Regierung wird sich in jedem Fall mit der Frage beschäftigen müssen, ob für israelische Siedlerinnen und Siedler weiterhin das Zivilrecht gelten solle. Für Palästinenserinnen und Palästinenser gilt das Militärrecht. Die letzte Koalition war an dieser Frage zerbrochen.