Eine Million pro Tag: EuGH verurteilt Polen zu Strafzahlung
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat Polen zur Zahlung eines täglichen Zwangsgeldes in Höhe von einer Million Euro verurteilt. Grund für den Schritt ist nach einer Mitteilung des Gerichtshofes vom Mittwoch die bisherige Weigerung des Landes, höchstrichterliche Entscheidungen zu umstrittenen Justizreformen umzusetzen. Polen stellte mit dieser Entscheidung die eigene Verfassung über das Unionsrecht.
Die Entscheidung markiert den Höhepunkt eines mittlerweile jahrelangen Streits zwischen Brüssel und der nationalkonservativen PiS-Regierung in Warschau.
Eine offizielle Stellungnahme Polens lag zunächst nicht vor. Der stellvertretende Justizminister Sebastian Kaleta schrieb auf Twitter aber, das Urteil komme einer "widerrechtlichen Übernahme und Erpressung" gleich. Der EuGH verachtet und ignoriert die polnische Verfassung und die Urteile des Verfassungsgerichts komplett". Das Gericht überschreite seine Kompetenzen.
Hintergrund
Der Verfassungsgerichtshof in Polen hat vor wenigen Wochen entschieden, dass die polnische Regierung Urteile des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) nicht umsetzen muss – zumindest, wenn sie die umstrittene polnische Disziplinarkammer betreffen. Die Entscheidung über diese Frage hat das Gericht mehrfach vertagt.
Zuvor hatte der EuGH Mitte Juli entschieden, dass Polen mit der Disziplinarkammer gegen europäisches Recht verstößt. Die Kammer galt bisher als das Herzstück der von der rechtsnationalen Regierung initiierten Justizreformen. Sie kann jeden Richter oder Staatsanwalt entlassen. Kritiker befürchten, sie könne dazu dienen, Richter für unliebsame Entscheidungen zu maßregeln.
Polen wurde mit einer einstweiligen Anordnung aufgefordert, die Bestimmungen auszusetzen, mit denen die Disziplinarkammer ermächtigt wird, über Anträge auf Aufhebung der richterlichen Immunität sowie über Fragen zur Beschäftigung und Pensionierung von Richtern zu entscheiden. Der Beschluss betraf zudem noch weitere Bestimmungen des polnischen Rechts, die die Unabhängigkeit von Richter betreffen.
Laut Entscheidung vor wenigen Wochen zufolge seien gleich mehrere Artikel der EU-Verträge laut polnischem Höchstgericht "unvereinbar mit der polnischen Verfassung". "Der Versuch des Europäischen Gerichtshofs, sich in das polnische Justizwesen einzumischen, verstößt gegen (...) die Regel des Vorrangs der Verfassung und gegen die Regel, dass die Souveränität im Prozess der europäischen Integration bewahrt bleibt", urteilten die Richter.
Damit stellt Polen nun tatsächlich die eigene Verfassung über das Unionsrecht. Die Entscheidung markiert den Höhepunkt eines mittlerweile jahrelangen Streits zwischen Brüssel und der nationalkonservativen PiS-Regierung in Warschau.
"Die Justizsysteme in der gesamten Europäischen Union müssen unabhängig und fair sein", hatte Kommissionschefin Ursula von der Leyen damals kritisiert. Polens Justizminister Zbigniew Ziobro sprach hingegen von einer "Aggression gegen Polen" und von einem "juristischen hybriden Krieg".
Nicht die erste Strafe
Die Finanzsanktionen gegen Polen waren am 9. September von der für die Überwachung des Rechtsstaatlichkeit in der EU zuständigen EU-Kommission beantragt worden. Sie werden nun so lange fällig, bis Polen den Anordnungen des EuGH Folge leistet.
Bereits am 20. September war Polen wegen des Braunkohle-Abbaus Turów an der Grenze zu Deutschland vom EuGH zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Trotz einstweiliger EuGH-Anordnung vom Mai habe Warschau den Braunkohle-Abbau nicht gestoppt, hieß es damals in einer Anordnung der EuGH-Vizepräsidentin Rosario Silva de Lapuerta. Deshalb müsse Polen ab sofort für jeden Tag, an dem es der Anordnung nicht nachkomme, 500.000 Euro Strafe in das EU-Budget zahlen.