Politik/Ausland

EU-Beitritt der Ukraine: Russland will "sehr genau beobachten"

Die EU-Kommission empfiehlt den offiziellen Beitrittskandidatenstatus für die Ukraine und Moldau. Georgien soll dagegen nur eine "europäische Perspektive" von der EU versichert erhalten. Dies teilte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Donnerstag in Brüssel mit. Beim EU-Gipfel Ende kommende Woche sollen die EU-Staaten darüber beraten. Ob eine Entscheidung fallen wird, ist ungewiss - die Meinungen unter den Mitgliedsstaaten gehen weit auseinander. Die Entscheidung für die Vergabe des Kandidatenstatus muss einstimmig fallen.

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Russland zeigte sich in einer ersten Reaktion zurückhaltend. Es handele sich hier nicht um eine militärpolitische Ebene, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Freitag. Trotzdem erfordere diese Entwicklung Russlands erhöhte Aufmerksamkeit, weil man über die „Stärkung der Verteidigungskomponente der Europäischen Union“ Bescheid wisse, sagte Peskow. „Es finden verschiedene Transformationen statt, die wir natürlich sehr genau beobachten.“

Moskau hatte der EU bereits in der Vergangenheit vorgeworfen, sich aus einem Wirtschaftsbündnis in „einen aggressiven militanten Akteur“ verwandelt zu haben.

Russlands Präsident Wladimir Putin erklärte außerdem am Freitag: „Wir haben nichts dagegen. Es ist die souveräne Entscheidung jedes Landes, Wirtschaftsbündnissen beizutreten oder nicht beizutreten“. Die EU sei im Gegensatz zur NATO keine militärische Organisation. Die Frage sei, ob die EU gut beraten sei, die Ukraine aufzunehmen. Das Land werde umfangreiche Wirtschaftshilfe benötigen, zu der möglicherweise einige EU-Mitglieder nicht bereit seien.

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Die mehr als 40 Millionen Bürger zählende Ukraine hatte vor rund dreieinhalb Monaten kurz nach Beginn des russischen Angriffs gegen sie die Aufnahme in die EU beantragt. Kurz darauf reichten auch der kleine Nachbar Moldau sowie das im Südosten Europas gelegene Georgien Beitrittsanträge ein. Moldau hatte zuletzt rund 2,6 Millionen Einwohner, Georgien rund 3,7 Millionen.

Konkrete Bedingungen

Das nun von der EU-Kommission vorgeschlagene Vorgehen sieht vor, der Ukraine und Moldau den Status als EU-Beitrittskandidaten zu geben. Zugleich sollten nach Ansicht der Behörde weitere Fortschritte im Beitrittsprozess an konkrete Bedingungen geknüpft werden. In beiden Ländern gibt es unter anderem Defizite im Bereich der Rechtsstaatlichkeit und im Kampf gegen Korruption.

Das ebenfalls einen EU-Beitritt anstrebende Georgien soll nach der Empfehlung der EU-Kommission hingegen erst nach der Erfüllung von Auflagen den Kandidatenstatus bekommen. Das Land würde demnach wie derzeit Bosnien-Herzegowina und das Kosovo vorerst nur ein potenzieller Beitrittskandidat sein.

Auf Grundlage der Empfehlung der Kommission müssen nun die EU-Staaten entscheiden, wie es weitergeht. Die Ansichten der Regierungen zum Thema gehen bislang weit auseinander. So halten Länder wie Portugal die Vergabe des Kandidatenstatus an die drei Staaten im östlichen Europa nach Angaben von Diplomaten für verfrüht und rein symbolisch.

Ein weiteres Argument von Skeptikern ist, dass die EU mit ihrem Prinzip der Einstimmigkeit etwa in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik schon jetzt als schwerfällig gilt. Sie mahnen zunächst interne Reformen an, ehe neuen Mitgliedern die Tür geöffnet wird.

Auf Fortschritte für die Westbalkan-Länder pocht vor allem Österreich und nennt dies als Bedingung für die Zustimmung zum EU-Beitrittskandidatenstatus der Ukraine. „Wir müssen sicherstellen, dass dieselben Maßstäbe angewandt werden wie auch bei anderen Beitrittswerbern aus dem Westbalkan. Vor diesem Hintergrund wäre es für mich etwa nicht vorstellbar, der Ukraine einen Kandidatenstatus zu gewähren und zugleich Länder wie Bosnien-Herzegowina weiterhin außen vor zu halten“, sagte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) zur deutschen Zeitung „Welt“.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprachen sich dagegen am Donnerstag in Kiew dafür aus, dass die Ukraine Beitrittskandidat wird. Deutschland und Frankreich argumentieren, dass der Kandidatenstatus die Aufnahmeentscheidung nicht vorwegnimmt und auch nicht mit einem Zeitrahmen verbunden ist. Die Türkei ist beispielsweise schon seit 1999 Beitrittskandidat.

Niederlande gaben Bedenken auf

Die zunächst kritisch eingestellten Niederlande gaben ihre Bedenken am Freitag auf. Die Regierung entschied, dem Vorschlag der EU-Kommission zuzustimmen. Außenminister Wopke Hoekstra sagte in Den Haag: „Hiervon geht das Signal aus: Wir lassen die Ukraine nicht sitzen.“ Auch Dänemark hob seine Vorbehalte zuvor auf. „Wir werden natürlich der Empfehlung folgen“, sagte Außenminister Jeppe Kofod vor der Kommissionsentscheidung dem dänischen Fernsehsender TV2. Dänemark werde alles tun, „damit die Ukraine ihren europäischen Traum erfüllen kann“.

Reaktionen

Die Ukraine zeigte sich am Freitag „dankbar“ für die Empfehlung der EU-Kommission. „Es ist der erste Schritt auf dem Weg zur EU-Mitgliedschaft, der unseren Sieg sicherlich näher bringen wird“, schrieb der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj auf Twitter. „Dankbar von der Leyen und jedem (EU-)Mitglied für eine historische Entscheidung.“ Er gehe davon aus, dass die EU-Staats- und Regierungschefs dem Vorschlag in der kommenden Woche zustimmen werden.

Die moldauische Präsidentin Maia Sandu sprach von einem „wichtigen Moment für die Zukunft“ ihres Landes. „Das ist die Hoffnung, die unsere Bürger brauchen“, sagte sie in der Hauptstadt Chisinau.

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