Politik/Ausland

EU-Corona-Hilfen: Österreich lenkt vor EU-Sondergipfel ein

Eine Woche vor dem EU-Sondergipfel lenkt Österreich hinsichtlich des Vergabemodus für die Mittel aus dem geplanten Corona-Aufbaufonds ein. Er sei dafür, dass es eine "Balance zwischen Krediten und Zuschüssen gibt und die Zuschüsse nicht ins Unermessliche steigen", teilte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im EU-Hauptausschuss des Nationalrates am Donnerstag in der Wiener Hofburg mit.

Ähnlich hatte sich Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) am Mittwoch in der Fragestunde des Nationalrats geäußert. Laut den Plänen der EU-Kommission sollen für den Wiederaufbau nach der Coronakrise 750 Milliarden Euro auf dem Kapitalmarkt für den Aufbaufonds aufgenommen werden und zu zwei Dritteln als nicht-rückzahlbare Zuschüsse vergeben werden, ein Drittel davon in Form von Krediten.

Bisher lehnte Österreich gemeinsam mit den drei weiteren, sich selbst "Sparsame Vier" nennenden Ländern Schweden, Dänemark und Niederlande Zuschüsse ab. Für den Nationalratsabgeordneten Reinhard Lopatka (ÖVP) handelt es sich dabei um eine Gruppe von EU-Mitgliedern, die "möglichst verantwortungsvoll, auch der nächsten Generation gegenüber" vorgehen will, wie er am Donnerstag sagte.

Auffassungsunterschiede

Bundeskanzler Kurz nimmt rund um den Aufbaufonds noch viel Diskussionsbedarf wahr, da es "große Auffassungsunterschiede" hinsichtlich Vergabekriterien - wie zum Beispiel den Einbruch der Wirtschaftsleistung oder die Arbeitslosigkeit - gebe. Ihm zufolge wollen die südeuropäischen Länder "kaum oder keine Kriterien". "Länder wie wir, die 'frugalen Vier', schon", sagte er und zählt unter anderem Klimaschutz, Reformwillen und Rechtsstaatlichkeit" auf. "Keines dieser Kriterien ist gottgegeben", räumte Kurz ein. Es handle sich dabei um "willkürliche Entscheidungen", da ein neues Instrument geschaffen werde. Seiner Ansicht nach ist es sinnvoll, "auf aktuelle Faktoren abzustellen" und nicht die Arbeitslosigkeit seit 2015, wie unter anderem diskutiert wird.

Zusätzlich zu dem Aufbaufonds sieht die EU-Kommission für den Wiederaufbau ein auf 1,1 Billionen Euro aufgestocktes EU-Budget für die Jahre 2021-2027 als notwendig an. Laut Kurz ist im Unterschied zum Aufbaufonds hinsichtlich des nächsten EU-Finanzrahmens eine Lösung "zum Greifen nahe". "Wenn man möchte, kann man das jederzeit abschließen", sagte er am Donnerstag.

EU-Ratspräsident Charles Michel, der in den letzten Wochen Einzelgespräche mit den Staats- und Regierungschefs geführt hat, wird dem Bundeskanzler zufolge beim Gipfel eine "leichte Redimensionierung" des mehrjährigen EU-Finanzrahmens vorschlagen. "Das Volumen wird kleiner werden", teilte Kurz mit. Dies sei "positiv" für ein "Nettozahler-Land" wie Österreich. "Ich bin froh, dass es Bewegung in unsere Richtung gibt", sagte der Kanzler. Die Verhandlungen hätten Wirkung gezeigt.

"Wir sind in einer intensiven Phase angekommen, bevor sich die Staats- und Regierungschefs seit Beginn der Coronakrise erstmals physisch treffen", sagte Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP). Sie selbst habe viel Telefonate mit Amtskollegen geführt, um die Positionen festzustellen. Bei der Entscheidung darüber, wie das Geld eingesetzt werde, gehe es "stark darum, in welche Richtung sich diese Europäische Union entwickelt." "Wir sollten es als unser Ziel, als unsere Vision ansehen, Europa so stark wie nie zu vor zu machen", so die Ministerin.

Hauptausschuss für Opposition "zu früh"

Der SPÖ-Nationalratsabgeordnete Jörg Leichtfried (SPÖ) kritisierte, dass der heutige EU-Hauptausschuss zeitlich zu weit entfernt vom Sondergipfel stattfinde, und stellte dessen Sinnhaftigkeit infrage. Um etwas zur Sache beitragen zu können, sei es notwendig, bestehende Dokumente einsehen zu können, sagte er.

Leichtfried sieht die bestehenden Vorschläge für den Wiederaufbau als im Interesse Österreichs liegend und den Widerstand der Bundesregierung als "kontraproduktiv" an. "Wir sind ein Land, das von einem prosperierenden Europa ungeheuer profitiert", merkte er an. Der oppositionelle Abgeordnete hält bei einer Redimensionierung des EU-Haushaltes Einsparungen bei den Förderungen der Agrarindustrie für nötig, davon habe er aber "keinen Satz" gehört. Dem schloss sich Nikolaus Scherak von den NEOS an.

Für Leichtfried sind weitere eigene Finanzierungsquellen für die EU eine "einfache Lösung, das System zu reformieren", ohne die Mitgliedsbeiträge der EU-Länder zu erhöhen.

Petra Steger von der FPÖ lehnte die Einführung von "EU-Steuern" ab und stellte auch infrage, ob die in Form von Krediten vergebenen Gelder rückgezahlt werden würden. "Schuldenvermehrung in der Europäischen Union" sieht sie als Problem an.

Michel Reimon von den Grünen glaubt nicht, dass der Beschluss zur Rückzahlung der auf dem Kapitalmarkt aufgenommenen Mittel für den Aufbaufonds von 2020 halten werden. "Wir werden ihn verändern und gestalten", sagte Reimon und forderte "jetzt Kriterien und Flexibilität". Das Konjunkturpaket stellt für ihn "nach zehn bis zwanzig Jahren Austeritätskurs und Budgetdisziplin bis zum Geht-nicht-mehr" "eine größten Veränderungen der EU" dar. Bei der Vergabe der Mittel treten die Grünen daher "massiv" für unter anderem ökologische Reformen, Digitalisierung und Investitionen ins Gesundheitssystem ein. Reimon sprach sich auch für neue EU-Eigenmittel aus.