Politik/Ausland

Corona-Hotspot Elsass: Wie sich das Virus ausbreiten konnte

Das Elsass gilt als Epizentrum der Coronavirus-Pandemie. Jetzt fühlt sich die evangelikale Gemeinde bedroht, denn während ihrer Woche des Fastens und Betens vom 17. bis 21. Februar in Mühlhausen konnte sich das Virus unter den 2500 Gläubigen ideal ausbreiten.

Vom  Elsass nach Frankreich und in die Schweiz, da viele Elsässer zur Arbeit im Dreiländereck nach Basel pendeln. Als Pharmamitarbeiter, Krankenschwestern, Supermarktkassierinnen und Bauarbeiter.

In Mühlhausen (Mulhouse), einer Stadt mit 110.000 Einwohnern ist nichts mehr wie früher. In dieser Region Grand Est müssen sich Verwandte von ihren erkrankten Onkeln, Tanten und Großmüttern verabschieden. „Viele werden einander nie wiedersehen. Das ist so traurig“, klagte die Köchin Helene im TV. Denn mangels Intensivbetten wurden und werden viele Kranke in andere Krankenhäuser in Frankreich ausgeflogen.

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Erst seit einer Woche nimmt auch das benachbarte Deutschland Covid-19-Patienten auf. In den ersten Wochen war diese Hilfsbereitschaft sehr überschaubar geblieben.

Das Elsass beklagt mittlerweile mehr als 1000 Todesfälle.

Im Februar hatten sich  bei einer Veranstaltung der evangelikalen Kirche „Portes Ouvertes Chrétiennes“ zahlreiche Gläubige angesteckt. Die Gemeinde fürchtet nun, dass ihre Anhänger stigmatisiert werden.

Es gebe gewalttätige Drohungen gegen die evangelikale Gemeinde, berichtete Pastor Samuel Peterschmitt in einer Videobotschaft Ende März. „Die Unwahrheiten, die im Umlauf sind, gefährden uns. Wir werden stigmatisiert, während wir Opfer sind“, sagte Peterschmitt, der ebenfalls positiv auf das Virus getestet und im Krankenhaus behandelt worden war.

Die Gemeinde im Elsass habe sich nach dem Treffen zu einem der Coronavirus-Cluster in Frankreich entwickelt - sie sei aber nicht der Ursprung des Virus, betont Peterschmitt. Auch in der Gemeinde gebe es mehrere Todesfälle in Folge des Virus.

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Das Treffen in Mülhausen sei ein „Wendepunkt“ des Verlaufs in Frankreich gewesen, sagte Frankreichs Gesundheitsminister Olivier Véran der Sonntagszeitung „Le Journal du Dimanche“ am vergangenen Wochenende. Von dort aus „breitete sich die Epidemie tatsächlich auf dem Staatsgebiet aus“, erklärte Véran. Auch der erste Fall in einem Altenheim sei auf die Veranstaltung mit 2500 Menschen zurückzuführen.

Nach dem Treffen vom 17. bis 21. Februar gab es den ersten Corona-Alarm erst am 1. März. Eine Familie, die an dem Treffen teilgenommen hatte, war positiv auf das neuartige Coronavirus getestet worden. In einer Pressemitteilung erklärt die Kirche, dass keiner der Teilnehmer während der Woche grippeähnliche Symptome gezeigt habe.

Die Gemeinde hat auf ihrer Homepage eine eigene Seite mit Fragen und Antworten zu dem Fall eingerichtet. Veranstaltungen mit mehr als 5000 Teilnehmern waren in Frankreich erst am 29. Februar untersagt worden - fünf Tage nach der Fastenwoche.

„Da war das Virus aber schon bei uns in Basel“, sagt die Ärztin  Mitra Modaressi.  

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In  der reichsten Stadt des Dreiländerecks mit Pharmariesen wie Roche (8000 Mitarbeiter) und Novartis (6000 Mitarbeiter) wurde erst spät reagiert.  Mittlerweile haben die Pendler aus dem Elsass Passierscheine, damit sie zur Arbeit fahren können. „Denn ohne sie würde die Wirtschaft still stehen“, sagt die Wienerin Modaressi, die in Basel ihre Schönheitsklinik am 17. März  geschlossen hat.

Zu dieser Zeit warnte ein  junger Arbeiter auf einer Baustelle von Roche  via Facebook, dass man auf Baustellen keine Sicherheitsabstände eingehalten könne. Zwei Tage später war er seinen Job los – und Basel aufgewacht.  Der Bauarbeiter wurde zu einem lokalen Helden hochstilisiert, seine Kündigung sorgte für Empörung.