Politik/Ausland

Bundesheer in Mali: Sicherheit für die Sahelzone

„Als das Fenster zersprungen ist, hat sich eine Scherbe in mein Bein gebohrt. Trotzdem habe ich meine Kugelschutzweste übergezogen, Waffe und Nachtsichtgerät genommen“, erzählt ein österreichischer Soldat dem KURIER. „Draußen haben Scharfschützen den Hügel unter Beschuss genommen, eine Rakete ist über das Camp geflogen. Nach vier Minuten war der Spuk vorbei.“

Fahrzeug detoniert

Als Selbstmordattentäter am 24. Februar einen Terroranschlag auf das Camp Koulikuro der EU-Trainingsmission Mali (EUTM-Mali) verüben wollten, hatten die Soldaten großes Glück: Ein Lastwagen mit Sprengstoff sollte ursprünglich den Eingangsbereich sprengen, ein weiterer für Verwirrung sorgen. 15 Terroristen auf Motorrädern hätten das absolute Chaos ausgenutzt und auf die verwirrten Soldaten geschossen, während von einem Hügel aus auf das Camp gefeuert worden sei.

Doch die Soldaten der EUTM-Mali haben rasch reagiert: „Als klar war, was die Absicht des ,Lastwagenfahrers’ ist, haben die Spanier das Feuer eröffnet und den Terroristen unschädlich gemacht“, sagt der Österreicher. Trotzdem detonierte das zweite Bombenfahrzeug – zerborstene Fensterscheiben im Camp zeugen davon.

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Das Leben im Camp geht auch nach solchen Zwischenfällen weiter: Kinder laufen zwischen Gefechtsfahrzeugen hin und her, ihre Mütter sitzen dicht gedrängt zusammen. Ihre Väter hingegen, Soldaten der Armee Malis, blicken starr nach vorn. Das Gewehr im Anschlag.

„Taktischer Magazinwechsel“, brüllt der lettische Ausbildner seine Befehle über den Übungsplatz. „Klack“ – fallen 20 Magazine zu Boden, die Männer stecken neue an, wenden ihren Blick nicht von den Zielscheiben ab.

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Bald werden sie auf Menschen zielen – auf Menschen, die ihren Staat in Trümmern sehen wollen. Auf Menschen, die aus ihrem Staat ein Kalifat machen wollen – zumindest verkünden sie es so.

Mali steckt seit Jahren in einer Krise, seit 2012, als Tuareg-Rebellen und islamistische Terrorgruppen den Aufstand probten, hat die Regierung keine effektive Kontrolle über den gesamten Staat. Der Norden des Landes, das eine Breite von Wien bis Ankara hat und mehr als dreimal so groß wie Deutschland ist, gilt als Failed State. Dort haben Nomaden das Sagen, Schmuggler, denen die heutigen Grenzen egal sind. Seit Jahrhunderten betreiben sie ihre Routen, haben Gold, Elfenbein, Drogen und Waffen über Grenzen gebracht, die sie nicht anerkennen. Sie waren vor den Grenzen da. Seit einigen Jahren ist der Schmuggel von Migranten Richtung Europa immer lukrativer für sie.

Trotzdem haben die malischen Nomadenvölker ein großes Problem: Die Wüste breitet sich aus. „Durch den Klimawandel gehen immer mehr Grünflächen in der Sahelzone verloren, Nomadenstämme sind dadurch gezwungen, nach Süden zu ziehen und treffen dadurch unweigerlich auf Bauernvölker“, sagt ein Offizier.

Heftige Massaker

Bereits jetzt führt das von der Dürre erzwungene Zusammenrücken der Ethnien zu blutigen Massakern, wie etwa vergangenen Dienstag, als mindestens 35 Dorfbewohner bei einem Angriff getötet wurden.

Doch das starke Bevölkerungswachstum wird die Problematik im Land vertiefen: „Bis meine Funktion als Kommandant beendet sein wird, werden 300.000 Menschen mehr in diesem Land leben“, sagt Brigadier Christian Habersatter, als er das Kommando über die knapp 630 Soldaten – darunter 47 Österreicher – von EUTM-Mali übernimmt. Er wird für sechs Monate die Geschicke der Mission leiten und gemeinsam mit Soldaten aus 28 europäischen Staaten sowohl die malischen Soldaten als auch deren Beamte im Verteidigungsministerium ausbilden und beraten.

35 Terroranschläge verüben verschiedene Gruppierungen in nur einer Woche, ob sie sich El Kaida oder dem „Islamischen Staat“ zuordnen, ist nicht weiter relevant – die Loyalitäten wechseln rasch. Fakt ist, dass die Hirtenvölker des Nordens mit aller Kraft gegen die Regierung in der Hauptstadt Bamako kämpfen, die nicht nur von EUTM-Mali, sondern auch von einigen anderen Missionen unterstützt wird.

Die UN-Mission MINUSMA etwa, die im Norden des Landes für Stabilität sorgen soll – ungefähr 15.000 Soldaten sind dort im Einsatz. Im Gegenzug zu den UN-Soldaten bildet das Personal der EUTM-Mali nur aus, nimmt nicht aktiv an Kampfhandlungen teil – außer sie wird selbst angegriffen.

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„Perspektive geben“

„Man muss den Menschen in Mali eine Perspektive geben, daher ist nicht nur die militärische Unterstützung, sondern auch die zivile wichtig“, sagt General Robert Brieger, Chef des Generalstabs. „Die Österreichische Entwicklungshilfe ist ebenso in der Region, mit einem Projekt, das Landwirtschaft fördert.“

Trotzdem seien noch viel Engagement und Energie notwendig, um das Land zu stabilisieren – auch in Europas Interesse. Bis die malische Armee so stark ist, dass sie selbst die Kontrolle über das ganze Land erlangen und Menschen- sowie Drogenschmuggel tatsächlich verhindern kann, dürfte noch viel Zeit vergehen. Der Einsatz der Österreicher ist nur einer von vielen Schritten, die unternommen werden, um einem der ärmsten Staaten der Welt zumindest einen Ausblick auf eine Zukunft zu ermöglichen.