Politik/Ausland

Britische EU-Gegner planen Rebellion in letzter Minute

Einen Tag vor der entscheidenden Abstimmung im Londoner Unterhaus greift in der britischen Politik Hysterie um sich. Das "Nein" zu Theresa Mays Brexit-Pakt scheint nach übereinstimmender Ansicht aller politischen Beobachter inzwischen unvermeidbar. Die Labour-Opposition schließt die Reihen, um May mit ihrem "Nein" zum Rücktritt zu zwingen und die fanatischen EU-Gegner, also die Brexiteers, in Mays konservativer Regierungspartei sind ebenso entschlossen. Während die Medien im Stakkato Spekulationen über die Folgen dieses "Nein" anstellen, formieren sich also die politischen Lager.

Brexiteers kampfbereit

Kampfbereit zeigen sich vor allem die Anhänger eines kompromisslosen Brexit. Und ein Mann, der über Wochen ins politische Aus zu schlittern drohte, steht plötzlich wieder an vorderster Front einer Rebellion: Ex-Außenminister und konservativer Polit-Popstar Boris Johnson. Johnson war aus Protest gegen Mays Brexit-Abkommen - und wohl auch aus politischem Kalkül - als Außenminister zurückgetreten. Doch seine Erwartung, danach als Frontfigur der EU-Gegner den Kampf gegen die Premierministerin anzuführen und damit zuletzt auch ihren Sturz zu erkämpfen, wurde enttäuscht. Sogar viele EU-Gegner sahen Johnson als zu destruktiv, zu launisch und vor allem als Premierminister ungeeignet.

Johnson kommt zurück

Inzwischen aber wird in London vor allem darauf gesetzt, dass die Premierministerin nach einem "Nein" auf Neuverhandlungen mit der EU und einen noch sanfteren Brexit setzen könnte. Bei den EU-Gegnern greift die Panik um sich, dass ihnen der Brexit plötzlich gänzlich abhanden kommen könnte. Und auf einmal ist wieder Boris Johnson im Spiel. Am Wochenende machte er in einem Interview mit der BBC seinen neuerlichen Führungsanspruch deutlich. Er sprach von einem neuen "vernünftigen Plan" für den EU-Austritt, den er unbeirrbar weiterverfolgen werde.

Doch nicht nur Johnson macht sich bereit, die Führung einer Revolte gegen May nach dem "Nein" zu übernehmen. Der ebenfalls kürzlich abgetretene Brexit-Minister Dominic Raab meinte auf die Frage, ob er die Führung in Regierung und Partei übernehmen wolle, "ich habe das nie ausgeschlossen". Weitere Brexit-Rebellen mit Führungsanspruch sind ebenfalls auf den Plan getreten. Doch Johnson scheint sich vorerst durchzusetzen, sein politisches Gewicht, vor allem unter den EU-Gegnern, ist immer noch schwer zu überbieten. Zugleich aber melden sich auch Johnsons Gegner zurück, die schon jetzt klar machen, dass sie unter ihm als Regierungschef "sofort draußen" wären. Die Rebellion gegen die Rebellion: Auch das ist an diesen chaotischen Tagen in London nicht mehr auszuschließen.

London könnte Brexit einfach abblasen

In das ganze Chaos flatterte heute auch noch eine folgenreiche Entscheidung des EuGH, die aber vor allem den Brexit-Gegnern Rückenwind gibt. Demnach könnte Großbritannien den EU-Austritt noch einseitig und ohne Zustimmung der übrigen EU-Länder einfach stoppen. Die Schwelle für einen Rückzieher ist somit niedriger als gedacht.