Diplomatenkreise: Spanien gegen Brexit-Deal
- Es gibt eine Einigung für eine politische Erklärung zu den zukünftigen Beziehungen zwischen EU und Großbritannien auf Ebene der Unterhändler.
- Am Sonntag sollen die EU-Staats- und Regierungschefs Erklärung und Deal absegnen.
- Spanien droht mit einem Veto gegen den Brexit-Deal. Knackpunkt ist der Umgang mit Gibraltar, das im Austrittsvertrag als UK-Territorium festgeschrieben werden soll.
- Ob das britische Parlament dem Brexit-Deal Anfang Dezember zustimmt, bleibt auch weiterhin fraglich.
London und Brüssel haben sich auf eine politische Erklärung zu ihren künftigen Beziehungen - sprich nach dem Brexit - verständigt. Einzig Spanien schert nun aus.
Austrittsvertrag und politische Erklärung sollen eigentlich am Sonntag bei einem Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschefs abgesegnet werden. Ob dies gelingt, ist offen, weil Spanien Bedenken bezüglich der Formulierungen zu Gibraltar angemeldet hat. Aus spanischen Diplomatenkreisen hieß es zuletzt, Spanien werde der Erklärung am Sonntag nicht zustimmen.
Premier Sanchez fordert direkte Verhandlungen
Spanien stößt sich daran, dass Gibraltar in dem Austrittsvertrag als UK-Territorium festgeschrieben wird. Der spanische Premier Pedro Sanchez hat direkte Verhandlungen zwischen Spanien und Großbritannien über die Zukunft des britischen Überseegebiets verlangt.
Die britische Premierministerin Theresa May zeigte sich indes zuversichtlich, die Differenzen mit Spanien in der Gibraltar-Frage klären zu können. "Gestern abend habe ich mit dem spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sanchez gesprochen und bin zuversichtlich, dass wir uns am Sonntag auf eine Vereinbarung einigen können, die die gesamte britische Familie einschließlich Gibraltars betrifft", sagte die Regierungschefin.
Einigung auf Zukunftspakt
Zuvor war von einer Vereinbarung über die zukünftigen Beziehungen zwischen EU und Großbritannien die Rede gewesen. Diese sei "auf Ebene der Verhandler" erzielt worden, teilte EU-Ratspräsident Donald Tusk am Donnerstag in Brüssel mit.
Verlängerte Übergangsperiode
Nach dem Textentwurf soll demnach die Übergangsperiode um ein bis zwei Jahre verlängert werden können. Während dieser Zeit solle Großbritannien ins EU-Budget einzahlen, heißt es. Bei den Fischereirechten wolle man sich bis Juli 2020 einigen. Bis zu diesem Datum soll auch entschieden sein, ob britische Finanzdienstleistungen weiterhin im Rest der EU anerkannt werden.
Außerdem verpflichten sich beide Seiten in der Erklärung darauf, ein "ambitioniertes Zollabkommen" umzusetzen. Der Güterhandel soll so gut wie möglich funktionieren, es sei eine "ehrgeizige" und "tiefe" wirtschaftliche und politische Partnerschaft geplant. So sei die "Schaffung eines Freihandelsgebiets" ohne Zölle, Abgaben und mengenmäßige Beschränkungen das Ziel.
Nordirland-Frage: Suche nach Lösung
Von der künftigen Regelung der Wirtschaftsbeziehungen ist auch abhängig, ob eine dauerhafte Lösung für die Nordirland-Frage gefunden werden kann. Die EU hat Großbritannien im Austrittsvertrag das Zugeständnis abgerungen, dass Nordirland auf Dauer in einer Zollunion mit der EU bleiben wird, wenn sich beide Seiten nicht auf einen anderen Modus zur Vermeidung einer "harten Grenze" zur Republik Irland einigen können. Dieser Passus ist in Großbritannien besonders umstritten.
Kurz zeigt sich "sehr optimistisch" zu Gibraltar-Frage
Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ist derzeit in London. Er wolle der britischen Premierministerin Theresa May nach eigenen Angaben den Rücken stärken, sich aber auch ein "realistisches Bild" von den Chancen zur Annahme des Austrittsvertrags durch das Unterhaus in London machen. Er zeigte sich hinsichtlich einer Lösung in der Gibraltar-Frage "sehr optimistisch": "Es gibt gute Gesprächskanäle in dieser Frage, und insofern hoffe ich sehr, dass es gelingt, bis Sonntag auch diese Frage noch auszuräumen", sagte er nach seinem Gespräch mit May gegenüber Journalisten im Hinblick auf das EU-Sondertreffen.
"Bei allem Verständnis natürlich auch für die Interessen einzelner EU-Mitgliedstaaten ist schon wichtig festzuhalten, dass wir am Ende des Tages als Europäische Union geschlossen agieren müssen, und ich hoffe sehr, dass das auch gelingt, bin da aber sehr optimistisch", fügte er hinzu.
Vertrag könnte an britischem Parlament scheitern
Anfang Dezember soll dann das britische Unterhaus über den Austrittsvertrag abstimmen. Mays Chancen, das Abkommen durch das Parlament zu bringen, werden als gering eingeschätzt.
Kritik aus Schottland: "Einhörner" statt Fakten
Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon hat die politische Brexit-Erklärung indes hart kritisiert. "Jede Menge Einhörner, die an die Stelle von Fakten über die künftigen Beziehungen treten", teilte Sturgeon am Donnerstag im Kurznachrichtendienst Twitter mit. Mit Einhörnern werden in Großbritannien unrealistische politische Ziele umschrieben.
Der Ende März 2019 geplante EU-Austritt Großbritanniens sei unüberlegt, schrieb Sturgeon. Sie äußerte unter anderem Bedenken, dass die heimische Fischindustrie Schaden nehmen könnte.