Brexit: Theresa May „hat nie mit uns geredet“
Von Konrad Kramar
Dianne Hayter zählt seit Jahrzehnten zur engsten Führungsmannschaft von Labour. Als Abgeordnete im Britischen Oberhaus (House of Lords) ist sie Brexit-Sprecherin der Partei. Im Interview mit dem KURIER spricht sie über
...Ursachen der Brexit-Krise: Es war ein Riesenfehler von David Cameron, sofort nach dem Brexit-Referendum als Premierminister zurückzutreten. Theresa May hatte so überhaupt keine Zeit, sich eine Strategie zurechtzulegen. Diesen Rückstand hat sie bis heute nicht aufgeholt, nur so ist ihr Kurs erklärbar.
...May und die EU-Gegner: Ohne jede Notwendigkeit hat sich May, die ja eigentlich gegen den Brexit war, sofort nach ihrem Antritt als Premierministerin den überzeugten EU-Gegner („Brexiteers“) zugewandt. Nur unter deren Einfluss hat sie ihre Roten Linien gezogen, wie etwa, dass Großbritannien die Zollunion verlassen muss. Tragische Fehler, die uns heute in die Sackgasse geführt haben.
...fehlende Kommunikation: Theresa May hat in all diesen zwei Jahren nie wirklich mit der Opposition geredet, also vor allem mit uns als größte Oppositionspartei. Nicht im Parlament und nicht abseits. Sie hat nicht einmal zum Hörer gegriffen und mich angerufen, wenn es darauf ankam. Genau diese offenen Dialog will sie ja jetzt suchen. Ich frage mich, ob das nicht längst zu spät ist. Die Fronten sind verhärtet. May war völlig darauf konzentriert, die eigene Partei zusammenzuhalten. Dabei hat sie vergessen, dass der Brexit nur funktionieren kann, wenn die ganze Gesellschaft mitgeht.
...die Vernachlässigung der Wirtschaft: Vor allem mit der Wirtschaft, den Unternehmern dieses Landes hat sich die Regierung nie vernünftig auseinandergesetzt. Deren Anliegen und Befürchtungen wurden nie richtig ernst genommen. Ich war selbst überrascht, das viele Unternehmer den Kontakt zu mir gesucht haben. Als Sozialdemokrat fühlt man sich doch eher als Partner der Gewerkschaften. Doch die suchten einen Ansprechpartner, weil sie den Eindruck hatten, dass die Probleme einfach ignoriert werden.
...Gefahr des harten Brexit: Da gibt es so viele, dass man nicht weiß, wo man anfangen soll. Nur ein Beispiel, ich bin in meiner Partei für Konsumentenschutz verantwortlich. Wir müssten über Nacht eigene Strukturen völlig neu aufbauen. Schließlich müssen wir wieder selber kontrollieren, ob in irgendeinem Stück Billigspielzeug aus Ostasien giftige Stoffe stecken.
...mögliche Auswege: Ich halte Neuwahlen für die beste Lösung, auch weil es in kurzer Zeit möglich ist, diese abzuhalten. Dann kann die neue Regierung eine neue Brexit-Strategie ausarbeiten.