Borissows Wahlsieg erschwert Regierungsbildung in Bulgarien
In Bulgarien hat die prowestliche bürgerliche Oppositionspartei GERB des umstrittenen Ex-Premiers Bojko Borissow amtlichen Zwischenergebnissen zufolge die vorgezogene Parlamentswahl gewonnen. Bei der bereits vierten Wahl in eineinhalb Jahren erhielt die Partei am Sonntag 25,37 Prozent der Stimmen. Das geht aus den am Montag veröffentlichten amtlichen Zwischenergebnissen nach Auszählung von 99,4 Prozent der Wahlprotokolle hervor.
Die zuletzt regierende liberale PP ("Wir setzen den Wandel fort") von Ex-Regierungschef Kiril Petkow kam mit 20,21 Prozent auf Platz zwei. Endergebnisse werden erst im Lauf der Woche erwartet.
Vorerst sieben Parteien haben den Angaben zufolge die Vier-Prozent-Hürde für den Einzug ins Parlament überwunden. Unter ihnen ist wieder die prorussische und nationalistische Wasraschdane (Wiedergeburt). Die im letzten Parlament kleinste Partei dürfte jetzt mit 10,17 Prozent auf Platz vier aufsteigen - noch vor den zuvor mitregierenden Sozialisten (9,32 Prozent).
Das ebenso bisher mitregierende konservativ-liberal-grüne Bündnis Demokratisches Bulgarien (DB) kommt den Angaben zufolge auf 7,46 Prozent. Ins Parlament in Sofia zieht mit 4,64 Prozent die neue Partei Bulgarischer Aufschwung (BW) von Ex-Verteidigungsminister Stefan Janew. Die populistische Formation "Es gibt so ein Volk" (ITN) des Fernsehstars Slawi Trifonow, die den Sturz der letzten Reformregierung verursachte, scheiterte an der Vier-Prozent-Hürde.
Komplizierte Suche nach der Mehrheit
Angesichts der unklaren Mehrheitsverhältnisse dürfte die Bildung einer neuen Regierung kompliziert werden. Ex-Regierungschef Kiril Petkow schloss in der Wahlnacht eine große Koalition mit der GERB erneut aus. Borissow wird von fast allen Mitbewerbern für grassierende Korruption im Land während ihrer über zehnjährigen Regierungszeit verantwortlich gemacht.
Während Borissow versucht, die Beziehungen sowohl zur EU als auch zu Russland und der Türkei nicht zu gefährden, nahm Petkow im Wahlkampf eine klare pro-europäische Haltung ein.
Die Beziehungen zu Moskau spalten nach wie vor die öffentliche Meinung im traditionell eher russlandfreundlichen Bulgarien. Im Gegensatz zu seinen Verbündeten leistet Bulgarien der Ukraine keine militärische Hilfe gegen die russische Aggression. Laut der Meinungsforschungsagentur "Mediana" ist die Angst unter den Bulgaren vor einer Ausweitung des Krieges binnen drei Wochen um neun Prozent gestiegen.
"Die hohe Inflationsrate und die Eskalation im Ukraine-Krieg sind die Hauptursache für die steigende Zahl der EU- und NATO-Skeptiker in Bulgarien", kommentierte die Agentur die Ergebnisse ihrer jüngsten Befragung. So befürworten 57 Prozent der Umfrageteilnehmer die EU-Mitgliedschaft, 43 Prozent sind jedoch entweder dagegen oder haben keine Antwort geben wollen. Jeder Dritte ist gegen die bestehende NATO-Mitgliedschaft Bulgariens und nur jeder Fünfte unterstützt die Stationierung von Streitkräften anderer NATO-Staaten im Land.