Politik/Ausland

Barcelona-Proteste: Spaniens Premier in politischer Sackgasse

„Na, der hat aber Eier“: Quim Torra, Chef der Regionalregierung in Katalonien, riskiert derzeit erstaunlich flapsige Bemerkungen. Immerhin ist der Mann, dem er in einem Gespräch vor den Kameras des TV-Senders TV3 in Wahrheit die Männlichkeit absprach, Spaniens Regierungspräsident Pedro Sanchez.

Was den glühenden Separatisten Torra zu der Bemerkung veranlasste, ist Sanchez’ Weigerung, mit ihm zu sprechen. Mehrfach hatte er in den vergangenen Tagen versucht, den Sozialdemokraten am Telefon zu erreichen, erfolglos. Sanchez „verstecke“ sich vor ihm, ätzte der Katalane, und ein Regierungschef, der sich vor dem führenden Vertreter einer Region verstecke, handle schlicht „unverantwortlich“.

Gewalt "unmissverständlich" verurteilen

Sanchez wiederum machte seine Haltung in einem offenen Brief an Torra deutlich. Dieser habe es bisher nicht zuwege gebracht, die Gewalt in den Straßen von Barcelona und in anderes Städten Kataloniens „offen und unmissverständlich“ zu verurteilen.

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Seit führende katalanische Separatisten vor einer Woche zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden sind, reißt die Protestwelle in Barcelona nicht mehr ab. Doch neben Hunderttausenden, die friedlich für die Unabhängigkeit der Region auf die Straße gehen, gibt es einen harten Kern gewaltbereiter Demonstranten, die in Barcelona ganze Straßen in Flammen aufgehen lassen.

Dutzende Polizisten sind bei Zusammenstößen mit ihnen verletzt worden. Torra wie seine gesamte Regierung, die anfangs die Polizei für die Gewalt verantwortlich gemacht hatte, liefert nur halbherzige Distanzierungen von den Gewalttätern.

Harte Attacken gegen Torra

Es sei die Pflicht des Chefs einer Regionalregierung, sich um die Sicherheit und das friedliche Zusammenleben seiner Bürger zu kümmern, attackierte Sanchez Torra in seinem Brief: Dessen Verhalten in den vergangenen Tagen aber habe „genau in die entgegengesetzte Richtung“ gezeigt.

Treffen verweigert

Um seine Haltung noch deutlicher zu machen, reiste der Sozialdemokrat kurzfristig am Montag nach Barcelona. Dort aber besuchte er lediglich die bei den Protesten verletzten Polizisten. Das unter normalen Umständen selbstverständliche Treffen mit Torra fand nicht statt. Auch vor die Presse trat der Premier nicht.

Rechte fordern mehr Härte

Doch Sanchez’ harte Haltung in der Katalonien-Krise stachelt die rechte Opposition in Spanien nur noch weiter an. Drei Wochen vor den Parlamentswahlen am 10. November versucht sich jede der Rechtsparteien als die entschlossenste im Kampf gegen die katalanischen Separatisten zu präsentieren – und Sanchez im Gegenzug als halbherzig und unentschlossen. Der Premier müsse endlich „mit den Separatisten brechen“, forderte Konservativen-Chef Pablo Casado, es dürfe keine Zusammenarbeit mehr geben.