Politik/Ausland

Ägyptens Präsident: Kontrolle bis ins Wohnzimmer

Mord, Liebe, List und dunkle Geheimnisse. Wenn im Mai der Ramadan beginnt, versammeln sich ägyptische Familien wieder gern in ihren Wohnzimmern, um gemeinsam die beliebten Seifenopern anzuschauen, die extra für den Fastenmonat produziert werden.

Dass dem Präsidenten Abdel Fatah al-Sisi die Produktionen teilweise ein Dorn im Auge waren, wusste man spätestens seit 2017. In einer Rede hatte er damals die schlechte Moral der Serien angeprangert. Seitdem stieg unterschwellig der Druck auf die Produktionsfirmen. Viele hielten sich ohnehin längst von politischen Aussagen fern.

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Doch das reichte nicht. Mittlerweile haben der Präsident und sein Apparat die Kontrolle über die beliebten Seifenopern. Eine militärnahe Produktionsfirma hat einige der beliebtesten Shows übernommen – und gibt die Themen vor. Das Militär, das Sisis Machtapparat politisch und wirtschaftlich stützt, soll positiv dargestellt werden. Die Muslimbruderschaft, politischer Erzfeind der Generäle, soll schlecht wegkommen. Konservative Familienbilder und Gehorsam sollen beworben werden. Auf der Strecke bleibt freilich die künstlerische Freiheit und Vielfalt. Von mehr als 30 Serien blieben weniger als die Hälfte.

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Kein Platz für Widerstand

Abdel Fatah al-Sisi und seine Entourage sind sich sicher: Den Fehler, der dem Vorgänger Hosni Mubarak 2011 das Amt kostete – trotz aller Härte – will er nicht machen. Kein Funke an Opposition, kein popkultureller Widerstand soll in seinem Ägypten Platz haben. Tageszeitungen, TV-Nachrichten, Talk Shows befinden sich schon seit Längerem in den Händen von regimefreundlichen Gruppen. 2016 reformierte Sisi das Regelwerk für Medien und sicherte sich Macht über Inhalte und Lizenzen. Nur wenige (online-)Medien sind geblieben, die kritisch über den Präsidenten berichten.

Vorauseilender Gehorsam ist ohnehin wieder weit verbreitet in Ägypten. Denn für Kritik kann man auf unbestimmte Zeit ins Gefängnis wandern. Das beginnt manchmal schon beim Facebook-Post. Laut Human Rights Watch sollen Zehntausende politische Häftlinge in ägyptischen Gefängnissen sitzen. Der Vorwurf: Falschmeldungen, Gefährdung der nationalen Sicherheit, Terrorismus – oder gar keiner. Manchmal warten Oppositionelle monatelang auf eine Anklage.

Präsident bis 2030

Jetzt soll eine Verfassungsänderung den Sicherheitskräften noch mehr Möglichkeiten geben, Regimegegner zu verfolgen. Von 596 Abgeordneten im weitgehend Sisi-loyalen Parlament haben diese Woche nur 22 gegen den Antrag gestimmt, der zudem die Amtszeit des Präsidenten von vier auf sechs Jahre verlängern soll. Sisi kann außerdem 2024 ein weiteres Mal zur Wahl antreten. Die Verfassungsänderung gibt dem Präsidenten mehr Kontrolle über die Justiz und stärkt das Militär.

„Durch diese Änderungen wird es noch mehr Militärprozesse für Zivilisten geben, die Unabhängigkeit der Justiz untergraben und Menschenrechtsverletzungen durch Sicherheitskräfte schuldfrei gestellt“, sagt Magdalena Mughrabi von Amnesty International.

Eine der 22 Gegenstimmen im Parlament war jene von Ahmed Tantawi, der unermüdlich gegen den Vorschlag kämpfte. Er nennt das Vorhaben einen „Rückschritt ins Mittelalter“.

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Die Unterstützer Sisis hingegen argumentieren jegliche Maßnahme zur Stärkung des Präsidenten mit der unsicheren Lage in der Region. Der einzige Garant für wirtschaftliche und politische Stabilität in diesem Chaos sei Abdel Fattah al-Sisi, ist man in seinen Kreisen sicher.

In der kommenden Woche entscheiden die Ägypter in einem Referendum, ob die Verfassungsänderung angenommen werden soll. Auf den Straßen werden sie mit Sisi-Plakaten zur Teilnahme an der Volksabstimmung aufgerufen: „Die Teilnahme ist eine Bürgerpflicht“, heißt es da.