Meinung

Verdrängen hilft nichts: Atomare Gefahr ist real

Als Kind der 70er-Jahre war für mich der Kalte Krieg und die damit verbundene Angst vor einem Atomkrieg lange Zeit sehr real. Unfassbar war der Gedanke, dass die Welt binnen Minuten zerstört sein könnte. Und unfassbar groß war die Erleichterung, als Abrüstungsverträge unterschrieben wurden und die Berliner Mauer als DAS Zeichen des Kalten Krieges schlechthin fiel. Alles schien auf einmal möglich – zum Guten, natürlich. Wer sich die Rüstungsberichte aller Jahre anschaut, der weiß, wie blauäugig diese Erleichterung war.

„Wir haben die reale Atomkriegsgefahr nur verdrängt, quasi ausgeblendet“, gibt ein Abrüstungsexperte zu bedenken. Noch heute gibt es fast 15.000 nukleare Sprengköpfe, die unsere Zivilisation auslöschen können. Der Kreis der Atommächte wurde erweitert: Neben den USA, Russland, Großbritannien, Frankreich und China sind auch Indien, Pakistan, Israel und zuletzt auch Nordkorea im Besitz dieser furchtbarsten aller Waffen. Sechs Mal, so heißt es, kann damit die Welt vernichtet werden. Sechs Mal.

Aber dem ist offenbar nicht genug. Angesichts des Aufstiegs von China und dem Misstrauen der USA gegenüber Russland könnten schon im August wieder neue atomare landgestützte Mittelstreckenraketen – die auf Basis des INF-Vertrages bis 1991 allesamt zerstört wurden – geplant und gebaut werden. Von Moskau und Washington. Der Boden des Machtkampfs des Schreckens: Europa.

Nie hätte ich mir in der allgemeinen Euphorie des Falls des Eisernen Vorhanges gedacht, dass auch meine Kinder wieder mit der Angst vor Atompilzen aufwachsen könnten. Nur heute scheint mir die Gefahr angesichts der neuen Technologien – Stichwort Cyberangriff – und der internationalen Bedrohung durch völlig unberechenbare skrupellose Terroristen vielleicht sogar noch größer als damals.

Angesichts so viel menschlicher Unvernunft, die als alt bekannte Logik der nuklearen Abschreckung verkauft wird – und diesmal auch noch China miteinbezieht –, ist es menschlich allzu verständlich, das zu verdrängen. Es hilft aber nicht.