Nichts ist vorbei
Von Bernhard Gaul
Damit keine Missverständnisse aufkommen: Nichts am heutigen Schulstart ist normal. Die neue Normalität des Schulalltags ist eine Zumutung für viele, wie alles, was wir derzeit erleben müssen. Sechsjährige mit Mund-Nasenschutz und damit nur mit einem Augenschlitz herumlaufen zu lassen, macht eigentlich fassungslos. Welche Auswirkungen das auf die Psyche der Kinder haben wird, lässt sich nur vermuten. Deswegen lässt der Bildungsminister auch keine Schularbeiten schreiben, im KURIER erklärte er kürzlich: „Es kommt drauf an, die Gemeinschaft zu erleben. Über das Geschehene zu reflektieren. Das Schuljahr gut abzuschließen und gestärkt ins neue Schuljahr überzugehen.“
Und trotzdem sind all diese Regeln sinnvoll. Denn leider hat die Wissenschaft noch sehr wenig gesichertes Wissen über das Virus bei Kindern. Bisher gibt es nur kleine Studien, die etwa zeigen, dass die Virenanzahl bei Kindern gleich hoch wie bei Erwachsenen ist, die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung bei Kindern aber deutlich geringer – was die Maskenpflicht fragwürdig macht. Unser großes Glück ist, dass Kinder nahezu nie daran erkranken.
Dass die Schulen nun aufsperren, hat eine Logik. Wenn nur noch rund 900 von 8,8 Millionen Menschen in Österreich mit dem Virus infiziert sind, lässt sich auch ein schulischer Lockdown nur schwer argumentieren. Zudem kann die Wirtschaft erst hochfahren, wenn die Schulen öffnen.
Die Bewältigung der ersten Infektionswelle war erfolgreich. Doch weil gleich wieder einige glauben, sich an keine Regeln halten zu müssen, und die Verschwörungstheoretiker allerorts fröhliche Urständ‘ feiern, zur Klarstellung: Wir befinden uns am Anfang einer Naturkatastrophe, die im Zeitraffer abläuft. Wer echten Virus- und Pandemie-Experten wie Christian Drosten oder Anthony Fauci aufmerksam zuhört, müsste verstanden haben, dass diese Pandemie nicht einmal annähernd vorbei ist. Dass dieses seit fünf Monaten bekannte SARS-CoV-2 ein heimtückisches Virus ist, weil es viele infizieren kann, ohne, dass sie es merken, während sie es weiter verbreiten. Und dass rund ein Prozent der Infizierten derzeit an der vom Virus ausgelösten Lungenkrankheit COVID-19 sterben. Und dass eine zweite Welle sicher wie das Amen im Gebet ist. Und wir die Infektion auf dem aktuell niedrigen Stand weiterköcheln lassen müssen, bis 70 Prozent der Bevölkerung eine Infektion durchgemacht haben, oder ein Medikament oder Impfstoff gefunden wird.
Wir haben es also selbst in der Hand, eine zweite Infektionswelle an den Distanz- und Hygieneregeln brechen zu lassen. Deswegen Hände waschen, nicht ins Gesicht greifen und Abstand halten. Das gilt für die Schule, und für alle anderen Lebensbereiche.