Schuld und Unschuld
Von Laila Docekal
Die Familie meiner Freundin P. war vor Jahren eng mit dem sympathischen Single G. aus ihrer Nachbarschaft befreundet. Er ging bei ihnen zu Hause ein und aus, setzte sich oft zum Essen dazu und gehörte schon fast selbst zur Familie. Eines Tages bat er meine Freundin P. darum, seinen Computer neu aufzusetzen, weil dieser gesponnen hatte. Hilfsbereit nahm sich P. der Sache an, sicherte seine Dateien und reparierte den Computer.
Dabei fiel ihr etwas Ungewöhnliches auf, das sie bis ins Mark erschrecken ließ: Sie entdeckte pornografische Fotos und Videos von Kindern auf dem Rechner. P. war wie paralysiert. Sollte sie sofort zur Polizei gehen? Sollte sie ihn zur Rede stellen?
Sie erkundigte sich über die Rechtslage und fand heraus, dass er maximal zu ein paar Monaten verurteilt werden könnte. Wenn er nicht vorbestraft ist, sogar auf freiem Fuß. Dieser Mann wusste, wo ihre Kinder zur Schule gingen und kannte ihren Tagesablauf. Also beschloss sie schweren Herzens, nichts zu tun. Aus Angst vor seiner Rache, wenn sie ihn anzeigt. Und zum Schutz ihrer Kinder. Sie gab G. den PC zurück und brach den Kontakt ab.
Aktuell kursieren in den sozialen Medien Informationen über einen verurteilten Pädophilen, der Feriencamps und Ausflüge für Kinder anbietet (der KURIER berichtete). Die Angebote sind gut gebucht. Seine Strafe ist getilgt und es gibt kein Gesetz, das ihm verbietet, mit Kindern zu arbeiten. Ob die Eltern ihre Kinder wissentlich in seine Hände geben, ist fraglich. Das Gesetz schützt ihn und sein Ferienangebot jedenfalls davor, öffentlich genannt zu werden. Ein Kinderschutzverein musste Informationen über ihn offline nehmen.
Keine Frage, der Pranger ist nicht die Lösung. Doch beim Schutz von Kindern gibt es noch wahnsinnig viel Aufholbedarf.