Hat Armin Wolf beim Kanzler-Interview überzogen?
"Ich unterbrech' Sie nur ungern."
"Darf ich ausreden?"
"Bitte nicht, weil was Sie sagen, stimmt nicht."
Sebastian Kurz war gestern Abend zu Gast bei Armin Wolf in der ZiB 2, nachdem am Mittwoch die neuen Lockerungen ab dem 7. Dezember verkündet worden waren. Der Großteil des Interviews drehte sich dann aber vor allem um ein Thema: die Einreisebeschränkungen. Und hier kam es unter anderem zu eingangs zitiertem Schlagabtausch.
"Ganz, ganz viele Menschen mit Migrationshintergrund" hätten Kurz' Aussage in der Pressekonferenz, sie "hätten das Virus, das quasi schon weg war, wieder zurück gebracht empörend empfunden", sagte Wolf.
Kurz: "Herr Wolf, Sie haben ja die Möglichkeit, mich alles zu fragen. Insofern braucht es keine Unterstellungen." Es gehe nicht um die Frage der Nationalität. Es gehe um die Frage der Reiserückkehrer.
Wolfs Antwort: Bei "Menschen, die den Sommer in ihrem Herkunftsland verbracht haben geht's ja wohl um Migranten".
Eine Nachlese des gesamten Interview lesen Sie hier.
War das nun ein übertriebener Schlagabtausch oder einfach nur ein gewohnt hart geführtes Interview?
Diese Frage stellen sich Gert Korentschnig und Rudolf Mitlöhner hier in einem Pro und Contra.
Hat Armin Wolf beim Kanzler-Interview überzogen?
Pro
Eine von Armin Wolf moderierte ZiB 2 gehört zum Besten, was die ORF-Information zu bieten hat. Man muss Wolf durchaus gelegentlich gegen seine Kritiker verteidigen: Er versteht sein Geschäft, agiert professionell und hat auch – im guten Sinn – einen Unterhaltungswert.
Bisweilen freilich kommt auch bei ihm die für den ORF notorische ideologische Schlagseite durch, die manche seiner KollegInnen (um es im ORF-Jargon zu sagen) erst gar nicht zu verbergen bemüht oder imstande sind.
Das Interview mit dem Bundeskanzler am Mittwochabend war ein besonders drastisches Beispiel dafür. Wolfs Aversion gegen alles, wofür Sebastian Kurz steht, war mit Händen zu greifen. Aus den – von der Regierung selbst als scharf bezeichneten – Quarantäneregeln versuchte Wolf mit kaum verhohlener Aggressivität eine „Die ausländerfeindliche ÖVP“-Nummer zu drehen. Natürlich gehört eine positive Haltung zur sogenannten „Willkommenskultur“ spätestens seit 2015 zur Grundausstattung eines anständigen ORF-Redakteurs. Nur ist das ein völlig anderes Thema als jenes der Gastarbeiterfamilien vom Balkan.
Die dahinterstehende Agenda von Wolf & Co. wird in befreundeten Milieus via Social Media zur Kenntlichkeit gebracht, wo etwa Falter-Mann Florian Klenk wieder einmal die „Neofeschisten“-Keule auspackt; und natürlich darf auch der Vorwurf nicht fehlen, hier versuche einer „die Nation zu spalten“. Klar: die Spalter sind rechts, links regiert die kritische Vernunft.
Rudolf Mitlöhner
Contra
Nein, definitiv nicht. Ein Bundeskanzler, der sich einem Interview stellt, muss sich (wie alle anderen auch) jede sachliche Frage gefallen lassen. Ein Interviewer, der einen Politiker befragt, muss eben diese artikulieren – sonst ist es die Selbstaufgabe. Und das zusehende Publikum hat – ebenso wie das lesende oder das hörende – das Recht auf kritische Fragen von gut informierten Kollegen. Wenn das nicht gewährleistet ist, haben wir ein echtes Problem.
Nun kann man freilich über jede einzelne Frage im Detail debattieren und auch darüber, ob man einander bei Gesprächen so oft unterbrechen sollte. Aber das wird rasch subjektiv. Objektiv betrachtet ist eine Nachrichtensendung dazu da, Informationen zu transportieren, aber auch Einwänden von (inhaltlich) Oppositionellen Raum zu geben. Und wenn, wie in diesem Fall, die Regierung die Teilnahme an einem Runden Tisch verweigert – wer soll sonst die heiklen Themen ansprechen, wenn nicht der Interviewer? Wer soll auf Widersprüche hinweisen, politische Mechanismen hinterfragen?
Bei den neuen Maßnahmen bzw. Lockerungen gibt es zweifellos Punkte, die einer kritischen Aufarbeitung bedürfen. Das muss in einer Sendung wie der ZiB 2 passieren, wenn sie kein Sprachrohr der Regierung sein will. Diese hat ja selbst genügend Trompeter an- und aufgestellt, um eigene Botschaften hinauszublasen.
Corona darf nicht dazu führen, dass Journalismus in seiner Bissigkeit nachlässt. Nur wer Interviewer überzeugt, schafft das auch bei der Öffentlichkeit.
Gert Korentschnig