Wie virtuelle Mode gerade zu einem Millionengeschäft wird
Daheim im Pyjama sitzen, während man schick gekleidet eine neue Ausstellung besucht – mit seinem Avatar im sogenannten Metaverse. Diese Vorstellung ist für Alfred Weidinger ganz und gar nicht sonderbar. „Das ist nicht die Zukunft, das ist bereits Gegenwart.“ Der Kunsthistoriker und Direktor des Linzer Landesmuseums beschäftigt sich schon seit Jahren mit digitaler Kunst und seinen Ausläufern.
Die neuen Parallelwelten im Netz, in der wir uns mit eigenen künstlichen Figuren – Avataren – bewegen und agieren werden, entstehen gerade im Eilverfahren. Mark Zuckerberg modelt Facebook mit zig Milliarden gerade in seine eigene Meta-Welt um, arbeitet wie viele Konkurrenten an Virtual-Reality-Brillen (VR) und will uns alle im Internet herumspazieren lassen anstatt uns nur auf dem Profilbild zu zeigen.
Was viele befremdet, sieht Weidinger durchaus auch als Vorteil: „Mit seinem Avatar kann man in Zukunft jede Ausstellung rund um den Globus besuchen und Vieles mehr vom Wohnzimmer aus erleben.“
Viel Geld zu machen
Spätestens dann wird aber auch relevant, wie unsere eigene Netzfigur aussieht. Die Minderheit, die sich schon jetzt damit im World Wide Web bewegt, kann das bereits in Designerkleidern und Luxus-Turnschuhen tun. Denn große Marken wie Nike und Adidas, aber auch Gucci oder Ralph Lauren versuchen gerade angestrengt, in die virtuelle Modewelt zu finden – nicht zuletzt, weil sie bemerkt haben, wie viel Geld damit zu machen ist.
So hat Dolce & Gabbana im Vorjahr allein mit neun virtuellen Modestücken mehrere Millionen gemacht. Der grüne „Glass Suit“ erzielte bei einer Versteigerung eine Million Dollar und ist damit der wertvollste Anzug, den die italienischen Designer je verkauft haben. Dabei ist der Entwurf „nur“ ein Bild, eine JPG Datei, die aber durch eine komplizierte Blockchain Technologie kopiergeschützt ist. NFTs nennt man diese Digital-Originale, die derzeit hoch gehandelt und mit Kryptowährung bezahlt werden. Die Besitzer zielen bei derart hochpreisigen Errungenschaften wie dem Glasanzug aber wohl eher auf eine gute Investition ab, als auf die neue Garderobe für den eigenen Avatar.
Wenn es wirklich um die Selbstdarstellung und Gestaltung der Netzfigur geht, dann sind bislang eher Sneakers gefragt. „Schuhe sind in den Metaversen sehr begehrt. Darauf liegt ein großer Fokus, den auch große Sportartikelhersteller erkannt haben und dort bereits mitmischen“, erzählt der Kunsthistoriker.
Erst vor einigen Wochen wurde bekannt, dass Markenriese Nike die Firma RTKFT gekauft hat, die auf das Programmieren von digitalen Sneakers spezialisiert ist. Promis wie Elon Musk und Kanye West waren auf Fotos bereits in den Tretern zu sehen.
Erste rein digitale Fashion Week
Noch ist die Digital-Mode hauptsächlich für Videospieler interessant, die ihre Figuren mit Luxusware oder auffälligen Schuhen individualisieren. Für die breitere Masse findet ab 24. März aber auch die erste Fashion Week auf der Metaverse-Plattform Decentraland statt. Globale Labels haben dort Bereiche und ganze (virtuelle) Häuser gekauft, um ihr Shopping-Angebot zu erweitern.
Schneller als wir denken
Blockchain-Expertin und Daten-Wissenschafterin Merav Ozair ist über den Erfolg der virtuellen Mode wenig überrascht. Im Gegenteil. Zur New York Times meinte sie kürzlich: „Eigentlich dachte ich, dass sich das schon früher einstellt. Wir bewegen uns in eine virtuelle Realität hinein und wenn wir dort richtig angekommen sind – schneller als wir denken, innerhalb einiger Jahre – werden Luxusgüter ein Teil davon sein.“
Dabei gibt es aber sehr wohl auch Kritiker, die NFT-Mode als kurzen, überzogenen Hype sehen. Die Fashionindustrie aber stellt sich mit Rieseninvestments auf einen längerfristigen Trend ein. Und Weidinger ist sich über die Zukunft von Metaversen ohnehin sicher: „Aus der Nummer kommen wir nicht mehr raus. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir alle unseren Avatar haben und wir ihn individuell gestalten.“
Metaverse: Das Wort beschreibt eine vollständig verwirklichte digitale Welt, die jenseits derjenigen existiert, in der wir leben. Es wurde 1992 von Neal Stephenson in seinem Roman „Snow Crash“ erstmals erwähnt.
10 Milliarden Euro hat Mark Zuckerberg alleine im Vorjahr für die Entwicklung seines Metaverse „Meta“ ausgegeben.
NFT-Bilder: NFT ist die Abkürzung von Non-fungible Token, ein „nicht-austauschbares Objekt“. Durch eine unkopierbare Blockchain Technologie bekommen digitale Werke Einzigartigkeit. NFTs können von Kunst, Mode bis zu virtuellem Land alles sein.