Leben/Mode & Beauty

Mugler-Experte und Kurator Thierry-Maxime Loriot im Interview

Früher arbeitete Thierry-Maxime Loriot als Topmodel neben Kate Moss, heute glänzt der umgängliche Kanadier als weltweit bekannter Kurator, wenn es um Modeausstellungen geht. Neben Büchern über Viktor & Rolf und Peter Lindbergh hat der 44-Jährige die große Retrospektive von Jean Paul Gaultier gestaltet und nun „Thierry Mugler: Couturissime“ kuratiert. Die Mugler-Ausstellung avancierte in Montreal zum Publikums-Hit, bis 30. August ist sie nun in der Kunsthalle München zu sehen (Details dazu hier). Was Loriot über Muglers Einflüsse und dessen Ausstieg aus dem Modezirkus sagt – und was Jugendliche von der Design-Legende lernen können.

KURIER: Muglers Kindheit war nicht besonders schön, seine Mutter und ihr Stil sollen seine Arbeit aber sehr geprägt haben. Welche waren die wichtigsten Einflüsse für ihn?

Thierry-Maxime Loriot: Er hat seine Mutter sehr bewundert für ihren Ausdruck von Freiheit durch Kleidung. Sie war äußerst gewagt und extravagant für ihre Zeit und präsentierte sich sehr selbstsicher. Das hat ihm auch das Selbstbewusstsein gegeben, sich den damaligen Standards zu widersetzen und erlaubt, er selbst zu sein. Sie war sehr kontrolliert und ihre Attitüde hatte sicherlich Einfluss auf ihn. Aber den stärksten Einfluss hatte wohl die Tatsache, dass er Balletttänzer wurde und in Kontakt mit Performance Kunst kam – er merkte, dass auch Mode ein Ausdruck davon sein kann.

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Die Ästhetik der frühen Neunziger ist wieder hip. Sogar Rap-Stars wie Cardi B tragen Mugler. Warum gibt es nun einen Hype darum?

Mugler ist gleichzusetzen mit Christian Dior, Coco Chanel und Jean Paul Gaultier. Seine einzigartige Ästhetik ist am Ende zeitlos und überdauert jede Strömung. Perfekte Schnitte, Hintergründigkeit und Avantgarde sind das, wonach jeder sucht. Er ist das Original, warum eine blasse Kopie bevorzugen?

Und warum sind Muglers Entwürfe – das Power-Dressing von Frauen – zunächst überhaupt bekannt geworden?

Aus einer soziologischen Sicht heraus war Mugler Zeitzeuge der 68er in Paris und des von Simone Veil neu ausgearbeiteten Abtreibungsgesetzes Mitte der Siebziger. Es gab auch so viele andere weitreichende Aktionen, die Frauen mehr Rechte gegeben haben. Er wollte ihnen mit seinen Kleidern auch mehr Freiheit geben, das sein zu können, was sie sein wollen. Sie können mit ihm eine Superheldin werden, ein Vamp, ein Insekt, ein Cyborg. Es ging einfach darum, Spaß zu haben. Alle hatten aber eines gemeinsam: Ihr starkes Selbstbewusstsein. Bei Mugler waren Frauen keine reinen Sexobjekte. Er hat die Grenze des guten Geschmacks nie überschritten und war nicht abwertend.

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Was finden Sie persönlich am spannendsten an Muglers Leben und Werdegang?

Mich interessiert der Mann selbst am meisten. Er ist so angstfrei, in jeder Hinsicht. Ich hoffe, dass die Ausstellung das transportiert und die junge Generation beeinflusst, die nur Likes und Follower in den Sozialen Medien bekommen will. Mugler soll zeigen, wie großartig es ist, anders zu sein. Heute wollen Jugendliche dazugehören, gleich sein, berühmt werden. Wagt es doch, anders zu sein!
 

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Warum hat er sich 1997 vom Modezirkus verabschiedet?

Er war einer der ersten, der die Modewelt verlassen hat, weil sie viel zu exzessiv wurde mit viel zu vielen Kollektionen jedes Jahr. Gaultier und Viktor & Rolf haben sich ja ebenfalls von den Ready-to-wear-Kollektionen verabschiedet und sich nur noch der Couture gewidmet. Es ging einfach nicht mehr um Kreativität und das ist bis heute so. Er hat sich nach seinem Ausstieg auf Cabarets fokussiert wie seine Show „Follies“ in Paris oder „Zumanity“ für den Cirque du Soleil. Ganz verlassen hat er den Modebereich aber nie, weil viele Stars immer wieder mit Anfragen für Designs kamen, von Beyoncé über Lady Gaga oder zuletzt Kim Kardashian.

Was sind Ihre Lieblingslooks von Mugler?

Es sind viele und eigentlich die 150, die man in der Ausstellung sieht. Es war mir wichtig, seine Klassiker zu zeigen wie das Motorrad-Bustier. Aber man soll auch Entdeckungen machen können und realisieren, wie sehr er an die Grenzen der zeitgenössischen Mode gegangen ist und etwas völlig Neues kreiert hat. Mein eigentliches Lieblingsstück ist aber der Mann selbst. Er hat einen tollen Sinn für Humor, den man auch in seinen Designs sieht. Das vermisst man derzeit schmerzlich in der Modeindustrie. Mode soll ja Spaß machen.

Mehr Infos: Kunsthalle München

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