Thierry Mugler und das Comeback seiner Glamazonen
Feuerrotes Haar, hochgewachsen, stets geschminkt und in Pelz gehüllt – der übermäßig glamouröse Stil von Thierry Muglers Mutter war der erste Einfluss auf den weltbekannten Designer.
„Ich hatte immer ein sehr schwieriges Verhältnis zu ihr“, gibt Mugler in einem Interview preis, der seit Kurzem von Promis wie Kim Kardashian und Lady Gaga ob seiner legendären Kreationen geradezu hofiert wird und sich nun wieder öfter zeigt.
Seine Mutter und der Vater – ein aus Linz stammender Arzt – erziehen den Sohn Manfred Thierry in ihrer Heimat Straßburg dagegen abwertend streng und wenig liebevoll. Im Alter von 14 Jahren sucht der miserable Schüler das Weite, um zunächst als Balletttänzer zu arbeiten – und um schließlich in Paris Weltruhm als Modemacher zu erlangen.
„Seine Mutter war sicherlich seine erste Muse“, erzählt auch Kurator und Mugler-Experte Thierry-Maxime Loriot (der gleiche Vorname kann verwirren). Die von ihm gestaltete Erfolgsausstellung „Couturissime“ über den Modezaren und dessen Kult-Kleider ist gerade von Montreal in die Kunsthalle nach München übersiedelt (die Ausstellung ist noch bis 30. August zu sehen, Details hier). Die beinahe außerirdisch wirkenden Entwürfe haben mit tragbarer Alltagskleidung herzlich wenig zu tun. So wie seine Schuppen- oder Insektenkleider, Kostüme mit fluroreszierenden Fäden oder das berühmte Motorrad-Bustier.
Mugler inszeniert Frauen immer als starke Superheldinnen, extrem sexualisiert in hautengen Kostümen mit riesigen Schultern, Wespentaille und tiefem Ausschnitt.
Anfang der Achtzigerjahre gab es noch genügend Verklemmtheit in der Gesellschaft, um mit seinen erotischen „Glamazonen“ für Furore zu sorgen. „Es geht darum, gut auszusehen. Es geht um einen guten Fick, Honey“, posaunt der Designer einst in Robert Altmans Kultfilm „Prêt-à-porter“ aus dem Jahr 1994.
Maßloser Partyboy
Der berühmt-berüchtigte Pariser Partylöwe setzt sich 1995 schließlich mit seiner einstündigen „Extravaganza“-Schau ein Denkmal. 6.000 Gäste sehen Supermodels wie Naomi Campbell, Kate Moss und Jerry Hall in 300 Kreationen – Konzert, Party und Stripperinnen inklusive. Die New York Times spricht vom „Woodstock of Fashion“.
Doch langsam aber sicher werden seine sexy Vamps von dürren Models mit Heroin-Chic und spartanischem Grunge-Style abgelöst.
Der Minimalismus hält Ende der Neunzigerjahre Einzug in die Modewelt und Calvin Klein, Helmut Lang und Jil Sander lassen Glamour-Designer wie Mugler oder Jean-Paul Gaultier alt aussehen.
Er verschwindet - Seine Verwandlung
Aber auch Thierry selbst mag nicht mehr, fotografiert lieber und verabschiedet sich aus dem Fashionzirkus. Er verkauft seine Firma und zieht nach New York – um sich äußerlich mit exzessivem Sport und Beauty-OPs bis zur Unkenntlichkeit zu verändern und sich wieder Manfred – sein erster Vorname – zu nennen. „Nachdem ich jahrelang der dünne, charmante Tänzer war, wollte ich ein Krieger sein. Ich habe viel gekämpft im Leben. Ich bin ein Superheld, also wollte ich auch danach aussehen“, erzählt er über seine Verwandlung.
In den letzten 20 Jahren übernimmt er nur noch wirklich verlockende Angebote und bleibt unter dem Medienradar – entwirft Kostüme für den Cirque du Soleil oder die Tour von Superstar Beyoncé im Jahr 2009, die nach einer Ausstellung zur glühenden Mugler-Verehrerin wird.
Alte neue Kleider
Ein noch größerer Fan ist nur Kim Kardashian, die Muglers Mode erst vor Kurzem entdeckt hat und ihm nun ein riesiges Comeback verschafft. Der Reality-Star schätzt die sexy Entwürfe, die Nineties-Flair versprühen und gewagt aber dennoch nicht plump sind.
Um den hohen Stellenwert des Designers, der heute so oft kopiert wird, weiß sie auch durch ihren Gatten Kanye West, der als Mode-Experte gilt.
Für die wichtigste Modeparty der Welt – der Met Gala – schneidert Mugler 2019 ausnahmsweise gar eine neue Kreation für Kardashian. Die Modewelt spielt verrückt.
Zudem zeigt sich Rapperin Cardi B bei den Grammys in seinen Archiv-Kleidern. Dem Modemacher gefällt’s, auch wenn der 71-Jährige keine Anstalten macht, nun neue Kollektionen zu entwerfen.
Aber den Trägerinnen geht es ohnehin um den speziellen Look der Neunzigerjahre, der seine Vintage-Kleider ausmacht.
Wieder cool: Fendi bis Klein
Das Gleiche gilt auch für weitere Kultmarken dieses Jahrzehnts wie Fendi, John Galliano oder Calvin Klein, deren Wiederauferstehung nun zelebriert wird – denn die Ästhetik der Neunziger ist gefragt wie nie. Protzige Marken-Logos auf Pullis sind alte neue Must-Haves, ebenso wie Oversize-Blazer, Mini-Taschen oder Matrix-Sonnenbrillen.
Wie diese alten Looks ins Heute transferiert werden, zeigen Style-Vorbilder wie Bella Hadid, Hailey Bieber oder auch Jennifer Aniston, die Anfang des Jahres für die SAG Awards in ein weißes Seidenkleid von Galliano für Dior schlüpfte, das sie sich vor zwanzig Jahren zugelegt hat.
Die nun so beliebten Vintage-Kleider beweisen ein gewisses Modeverständnis der Trägerin und nachhaltig sind sie auch noch – ein Jackpot also für alle Fashionvictims.
Im Fahrwasser der neuen Liebelei mit den Neunzigern wird auch nach den legendären Teilen des Wiener Designers Helmut Lang gegiert – die Stücke aus den aktuellen Kollektionen bleiben dagegen unbeachtet. Der Namensgeber der Marke hat sich schon 2005 in den Künstler-Ruhestand verabschiedet.
Auch damalige Ikonen wie Jil Sander, Calvin Klein oder Thierry Mugler haben mit der neuen Mode, auf der ihr Name prangt, nichts zu tun und auch nichts am Hut.
Mugler erklärte über die Belebung seiner Marke 2008 mit einem neuen Designer klipp und klar: „Das ist bloß eine in Lizenz hergestellte Konfektionslinie.“
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