Thierry Mugler und das Comeback seiner Glamazonen

Eine Frau mit roter Jacke und Peitsche sitzt neben einem Mann in Lederhose.
Nach zwanzig Jahren Pause reißen sich Stars wie Kim Kardashian um die sexy Kleider von Thierry Mugler. Auch andere Neunziger-Marken sind wieder begehrt.

Feuerrotes Haar, hochgewachsen, stets geschminkt und in Pelz gehüllt – der übermäßig glamouröse Stil von Thierry Muglers Mutter war der erste Einfluss auf den weltbekannten Designer.

„Ich hatte immer ein sehr schwieriges Verhältnis zu ihr“, gibt Mugler in einem Interview preis, der seit Kurzem von Promis wie Kim Kardashian und Lady Gaga ob seiner legendären Kreationen geradezu hofiert wird und sich nun wieder öfter zeigt.

Lady Gaga posiert in einem extravaganten Outfit vor einem Gefängnisgitter.

Lady Gaga

Kim Kardashian und ein Mann in passenden weißen Outfits posieren für ein Foto.

Kardashian und Mugler 2019

Seine Mutter und der Vater – ein aus Linz stammender Arzt – erziehen den Sohn Manfred Thierry in ihrer Heimat Straßburg dagegen abwertend streng und wenig liebevoll. Im Alter von 14 Jahren sucht der miserable Schüler das Weite, um zunächst als Balletttänzer zu arbeiten – und um schließlich in Paris Weltruhm als Modemacher zu erlangen.

„Seine Mutter war sicherlich seine erste Muse“, erzählt auch Kurator und Mugler-Experte Thierry-Maxime Loriot (der gleiche Vorname kann verwirren). Die von ihm gestaltete Erfolgsausstellung „Couturissime“ über den Modezaren und dessen Kult-Kleider ist gerade von Montreal in die Kunsthalle nach München übersiedelt (die Ausstellung ist noch bis 30. August zu sehen, Details hier). Die beinahe außerirdisch wirkenden Entwürfe haben mit tragbarer Alltagskleidung herzlich wenig zu tun. So wie seine Schuppen- oder Insektenkleider, Kostüme mit fluroreszierenden Fäden oder das berühmte Motorrad-Bustier.

Eine Frau mit blonden Haaren trägt ein buntes, paillettenbesetztes Kleid.

Jerry Hall

Eine Frau im Paillettenkleid und Strapsen raucht eine Zigarette.

Eva Herzigova

Eine Frau mit orangefarbenem Haar trägt ein Kostüm aus Motorradteilen vor einem rot-blauen Hintergrund.

Sein berühmtes Motorrad-Bustier, das auch Beyonce getragen hat

Mugler inszeniert Frauen immer als starke Superheldinnen, extrem sexualisiert in hautengen Kostümen mit riesigen Schultern, Wespentaille und tiefem Ausschnitt.

Anfang der Achtzigerjahre gab es noch genügend Verklemmtheit in der Gesellschaft, um mit seinen erotischen „Glamazonen“ für Furore zu sorgen. „Es geht darum, gut auszusehen. Es geht um einen guten Fick, Honey“, posaunt der Designer einst in Robert Altmans Kultfilm „Prêt-à-porter“ aus dem Jahr 1994.

Eine Gruppe von Menschen posiert lächelnd für ein Foto.

Mugler (2ter von links) in den Neunzigern mit seiner Stammkundin Ivana Trump (3te von links)

Maßloser Partyboy

Der berühmt-berüchtigte Pariser Partylöwe setzt sich 1995 schließlich mit seiner einstündigen „Extravaganza“-Schau ein Denkmal. 6.000 Gäste sehen Supermodels wie Naomi Campbell, Kate Moss und Jerry Hall in 300 Kreationen – Konzert, Party und Stripperinnen inklusive. Die New York Times spricht vom „Woodstock of Fashion“.

Doch langsam aber sicher werden seine sexy Vamps von dürren Models mit Heroin-Chic und spartanischem Grunge-Style abgelöst.

Der Minimalismus hält Ende der Neunzigerjahre Einzug in die Modewelt und Calvin Klein, Helmut Lang und Jil Sander lassen Glamour-Designer wie Mugler oder Jean-Paul Gaultier alt aussehen.

Er verschwindet - Seine Verwandlung

Aber auch Thierry selbst mag nicht mehr, fotografiert lieber und verabschiedet sich aus dem Fashionzirkus. Er verkauft seine Firma und zieht nach New York – um sich äußerlich mit exzessivem Sport und Beauty-OPs bis zur Unkenntlichkeit zu verändern und sich wieder Manfred – sein erster Vorname – zu nennen. „Nachdem ich jahrelang der dünne, charmante Tänzer war, wollte ich ein Krieger sein. Ich habe viel gekämpft im Leben. Ich bin ein Superheld, also wollte ich auch danach aussehen“, erzählt er über seine Verwandlung.

Ein Mann mit Schnurrbart posiert vor zwei Schaufensterpuppen mit auffälliger Kleidung.

Mugler heute

In den letzten 20 Jahren übernimmt er nur noch wirklich verlockende Angebote und bleibt unter dem Medienradar – entwirft Kostüme für den Cirque du Soleil oder die Tour von Superstar Beyoncé im Jahr 2009, die nach einer Ausstellung zur glühenden Mugler-Verehrerin wird.

Alte neue Kleider

Ein noch größerer Fan ist nur Kim Kardashian, die Muglers Mode erst vor Kurzem entdeckt hat und ihm nun ein riesiges Comeback verschafft. Der Reality-Star schätzt die sexy Entwürfe, die Nineties-Flair versprühen und gewagt aber dennoch nicht plump sind.

Um den hohen Stellenwert des Designers, der heute so oft kopiert wird, weiß sie auch durch ihren Gatten Kanye West, der als Mode-Experte gilt.

Kim Kardashian in einem schwarzen, gewagten Abendkleid mit hohem Schlitz.

Kim Kardashian 2019 in Mugler Vintage 1998

Für die wichtigste Modeparty der Welt – der Met Gala – schneidert Mugler 2019 ausnahmsweise gar eine neue Kreation für Kardashian. Die Modewelt spielt verrückt.

Zudem zeigt sich Rapperin Cardi B bei den Grammys in seinen Archiv-Kleidern. Dem Modemacher gefällt’s, auch wenn der 71-Jährige keine Anstalten macht, nun neue Kollektionen zu entwerfen.

Aber den Trägerinnen geht es ohnehin um den speziellen Look der Neunzigerjahre, der seine Vintage-Kleider ausmacht.

Cardi B in einem extravaganten Kleid auf dem roten Teppich der Grammy Awards.

Cardi B in Mugler

Wieder cool: Fendi bis Klein

Das Gleiche gilt auch für weitere Kultmarken dieses Jahrzehnts wie Fendi, John Galliano oder Calvin Klein, deren Wiederauferstehung nun zelebriert wird – denn die Ästhetik der Neunziger ist gefragt wie nie. Protzige Marken-Logos auf Pullis sind alte neue Must-Haves, ebenso wie Oversize-Blazer, Mini-Taschen oder Matrix-Sonnenbrillen.

Ein Model präsentiert einen braunen Fendi-Mantel und einen silbernen Rock auf dem Laufsteg.

Claudia Schiffer im Fendi Logo-Mantel 1996

Bella Hadid trägt einen braunen Anzug mit Fendi-Logo und eine kleine Handtasche.

Stilvorbild Bella Hadid setzt heute wieder auf die Ästhetik der Neunziger mit Fendi-Logo

Wie diese alten Looks ins Heute transferiert werden, zeigen Style-Vorbilder wie Bella Hadid, Hailey Bieber oder auch Jennifer Aniston, die Anfang des Jahres für die SAG Awards in ein weißes Seidenkleid von Galliano für Dior schlüpfte, das sie sich vor zwanzig Jahren zugelegt hat.

Die nun so beliebten Vintage-Kleider beweisen ein gewisses Modeverständnis der Trägerin und nachhaltig sind sie auch noch – ein Jackpot also für alle Fashionvictims.

Sarah Jessica Parker in einem „Christian Dior“-Zeitungskleid vor einer Haustür.

Sarah Jessica Parker war super-trendy als sie Galliano 2000 in "Sex and the City" trug

Jennifer Aniston in einem weißen, bodenlangen Kleid, das über eine Schulter drapiert ist.

Zwanzig Jahre später: Jennifer Aniston in einem alten Galliano (für Dior) Kleid

Im Fahrwasser der neuen Liebelei mit den Neunzigern wird auch nach den legendären Teilen des Wiener Designers Helmut Lang gegiert – die Stücke aus den aktuellen Kollektionen bleiben dagegen unbeachtet. Der Namensgeber der Marke hat sich schon 2005 in den Künstler-Ruhestand verabschiedet.

Auch damalige Ikonen wie Jil Sander, Calvin Klein oder Thierry Mugler haben mit der neuen Mode, auf der ihr Name prangt, nichts zu tun und auch nichts am Hut.

Mugler erklärte über die Belebung seiner Marke 2008 mit einem neuen Designer klipp und klar: „Das ist bloß eine in Lizenz hergestellte Konfektionslinie.“

Ein Schwarzweißfoto von Kate Moss und Mark Wahlberg für eine Calvin Klein-Werbung.

Calvin Klein Werbung 1992: Mit Mark Wahlberg und Kate Moss

Kommentare