#MeTwo bis #MenAreTrash: Die 5 bedeutendsten Hashtags des Jahres
Noch vor zehn Jahren war das Doppelkreuz den wenigsten geläufig. Allenfalls vom guten alten Tastentelefon war die Raute, wie das Zeichen auch genannt wird, bekannt. Mit dem Siegeszug der sozialen Medien wurde das Doppelkreuz 2007 digital. Auf Twitter, Instagram und Co. wurde es zur Kennzeichnung von Schlagwörtern herangezogen – und Hashtag getauft. Rasch mauserte sich das #-Zeichen zum Ordnungsmuster der digitalen Sphäre, heute ist es aus der Netz-Kommunikation nicht mehr wegzudenken.
Auch in der realen Welt ist es längt angekommen. Das zeigen #jesuischarlie, #BlackLivesMatter oder #MeToo – eine Handvoll Beispiele für Hashtag-Kampagnen, die den öffentlichen Diskurs in den vergangenen Jahren nachhaltig geprägt haben. Dass Hashtags tatsächlich etwas bewirken können, weiß Bendix Hügelmann, Politikwissenschaftler an der Universität Hamburg. "Sie können Aufmerksamkeit auf ein entsprechend hinterlegtes Thema lenken", erklärt er.
Digitale Debatten
Ob sie dabei nur innerhalb einer Blase stattfinden oder tatsächlich gesellschaftliche Debatten anstoßen, werde primär vom Thema beeinflusst. Viralität lasse sich Hügelmann zufolge nicht pauschal erklären, sondern sei immer auch vom jeweiligen sozialen Netzwerk abhängig. Auch der Medientyp spiele eine entscheidende Rolle. Dass Hashtags ständig und gefühlt wie Schwammerl aus dem virtuellen Boden schießen, ist schnell erklärt. Denn: "Grundsätzlich lässt sich fast jedes Thema durch eine entsprechende Zuspitzung ins Gewand einer Hashtag-Kampagne stecken."
Nicht irgendwelche, sondern die wichtigsten des Jahres 2018, haben wir für Sie zusammengetragen.
#MeTwo
Namentlich an die #MeToo-Debatte über sexuelle Übergriffe angelehnt, formierte sich in Deutschland und Österreich Ende Juli ein Aufschrei von Menschen mit Migrationshintergrund. Angeregt durch Initiator Ali Can, teilten Tausende ihre Erfahrungen mit alltäglichem und institutionalisiertem Rassismus in den sozialen Netzwerken.
Das "Two" ("Zwei") steht laut Can für die beiden Herzen, die in seiner Brust schlagen. Der Lehramtsstudent setzt sich mit seinem Verein "Interkultureller Frieden e. V." bereits seit einigen Jahren für ein wertschätzendes Miteinander ein. Dass #MeTwo eine Lücke in der Diskussion rund um Ausgrenzung gefüllt hat, zeigen jedenfalls die zahlreichen Berichte über Ausgrenzung bei der Wohnungssuche, Polizeikontrollen oder in der Schule.
#Unten
434.000 Menschen sind laut Caritas in Österreich manifest arm. "Manifest arm" zu sein bedeutet, neben sehr geringem Einkommen auch mit gravierenden Mängeln in wichtigen Lebensbereichen konfrontiert zu sein. Wie es sich anfühlt, einen Alltag in Not zu erleben, beschrieben Menschen im November unter dem Hashtag #Unten auf Social Media. Angestoßen wurde die Welle an Postings von dem deutschen Journalisten Christian Baron.
In einem Artikel für die Wochenzeitung Der Freitag schrieb er über soziale Diskriminierung – und rief dazu auf, unter dem Schlagwort #Unten Kritik an der Klassengesellschaft, Vorurteilen und alltäglichen Erniedrigungen zu üben. Zahllose Nutzer kamen seinem Aufruf nach – und schufen eine Bewegung, die soziale Ungerechtigkeit ein Stück weit sichtbarer macht.
#BullyMe
"Auch nach 10 Jahren noch keine Komplimente annehmen können, weil man meint, sie nicht verdient zu haben. Das macht Mobbing mit einem", schreibt eine Userin auf Twitter. Gekennzeichnet ist ihr Tweet mit #BullyMe ("mobbe mich"). Damit reiht sich das Statement in jenen Schwall von Beiträgen ein, der sich im September unter dem Schlagwort im Netz ergoss. In den Postings sprachen Nutzer offen über Erfahrungen mit Mobbing – und welche Traumata geblieben sind.
Neben einem Forum für persönliche Schilderungen eröffnete der Hashtag eine Plattform für Appelle an Eltern und Lehrer. Wie präsent gezielte Ausgrenzung in der Gesellschaft – und wie wichtig damit #BullyMe ist –, zeigen Zahlen der UNICEF: Weltweit hat rund die Hälfte aller Kinder und Jugendlichen Gewalt oder Mobbing durch Mitschüler erlebt.
#MenAreTrash
Unter dem Hashtag #MenAreTrash ("Männer sind Abfall") wurde im August mehrere Wochen lang auf Twitter und anderen sozialen Medien geschimpft und geätzt. Auch Beiträge über gesellschaftliche Missständen, Sexismus, der Ungleichbehandlung von und Übergriffen auf Frauen fanden sich unter dem kontroversen Schlagwort.
Angestoßen wurde die Debatte von der Autorin Sibel Schick. Die Journalistin, die unter anderem für die taz und die feministische Zeitschrift Missy Magazine schreibt, postete den Hashtag am 14. August auf Twitter. Damit wehrte sich Schick damals gegen zahlreiche Anfeindungen, die ihr in den Wochen zuvor im Netz entgegengebracht worden waren. Viele User hatten erbost auf Schicks frühere Aussage reagiert, dass es ein strukturelles Problem sei ,"dass Männer Arschlöcher sind". Dies hatte die in Berlin lebende gebürtige Türkin Ende Juli auf Twitter proklamiert.
#ImodestWomen
#ImodestWomen ("unbescheidene Frauen"): Unter diesem Hashtag gaben Tausende Frauen im Juni auf Twitter die Änderung ihres Usernamens bekannt. Zuvor hatten sie diesem ihren akademischen Titel hinzugefügt. Ins Leben gerufen wurde der feministische Protest von Fern Riddell, einer studierten Historikerin aus den USA, die selbst einen Doktortitel trägt. Sie wolle nicht länger akzeptieren, dass wissenschaftliche Leistungen und die Expertise von Frauen im großen Stil kleingeredet werden, erklärte sie.
Mit ihrer Kritik traf Riddel einen Nerv: Zahllose Frauen folgten im Netz ihrem Beispiel. Man wolle sich solidarisch zeigen und ein Zeichen setzen – gegen die männliche Vormachtstellung in akademischen Kreisen und mangelnden Respekt für Frauen mit Titel, so der Tenor.