Nachruf auf Rudi Gelbard: "Böses mit Gutem vergelten"
Im Juni des Vorjahres rief Rudi Gelbard aus dem Spital an, er sei krank, aber er müsse uns noch etwas mitgeben. Im Interview, das gemeinsam mit Georg Markus entstand, sprach Gelbard über seine Zeit als Redakteur im KURIER, über das KZ Theresienstadt, wohin er als 12 Jähriger verbracht wurde und über Antisemitismus – damals und heute. Dabei differenzierte er, wie stets auch in seinen Reden: „Schon nach der Abschiedsrede von Bundeskanzler Schuschnigg im März 1938 wurden die Juden aus ihren Häusern geholt, aber bevor ich ins KZ kam, hat mir einer in einem Haustor Schokolade gegeben.“
Rudi Gelbard hat ein Leben lang dafür gearbeitet und auch stets gekämpft, dass die Verbrechen der Nazis an den Juden und anderen Menschen nie vergessen würden, wobei ihm immer die Entwicklung vom alltäglichen Antisemitismus bis zu zu den mörderischen Verbrechen und das Aufzeigen der Fakten wichtig war.
Ein kämpferischer Zeitzeuge
Wenige Tage nach dem Interview ging es Rudi Gelbard etwas besser, er nahm sich ein Taxi, kam in die Redaktion und hat weiter aus seinem Leben erzählt. Vieles hat er auch aufgeschrieben, man kann es hier nachlesen: rudolf-gelbard.meineerinnerung.at
Aber es waren seine deutliche Sprache und seine genauen Erinnerungen, mit denen er so beeindruckt hat und warum junge Leute so fasziniert waren,wenn er aus seinem Leben erzählte. Vor dem KZ hat ihn ständig Hunger geplagt, von den 15.000 Kindern in Theresienstadt haben nur wenige überlebt. Nach der Befreiung hat er schnell die Schulbildung nachgeholt und überall auch über den Holocaust recherchiert. Nach einer Tätigkeit als Handelsvertreter kam er schließlich 1975 zum KURIER, wo er zu Themen der Zeitgeschichte arbeitete und den Ombudsman unterstützte. Wenn es um die historische Wahrheit ging, die er ja selbst erlebt und auch intensiv erforscht hatte, dann ging er nicht nur an Schulen und Unis, sondern auch auf die Straße. Er war stolz darauf, dass er dabei war, Neonazi-Veranstaltungen zu sprengen.
Seine Pensionierung nutzte er, um weiter zu recherchieren, Dokumentationen zu drehen und Reden zu halten. Am 8. Mai 2016 sprach er beim Staatsakt zum Gedenken an die Befreiung vom Nationalsozialismus nicht nur vom Massenmord an den Juden, sondern auch von der Ermordung der Sinti und Roma, von der Tötung psychisch Kranker, der Verfolgung Homosexueller. Und er zitierte am Ende Simon Wiesenthal: „Wir, die Überlebenden, sind nicht nur den Toten verpflichtet, sondern auch den kommenden Generationen. Wir müssen unsere Erfahrungen an sie weitergeben, damit sie daraus lernen können. Information ist Abwehr.“
Zum Abschied Bertolt Brecht
Information und Wissen weitergeben, das war Gelbard wahrscheinlich das Wichtigste. Freunde und Bekannte versorgte er regelmäßig mit Flügelmappen, wo er kopierte Texte und Artikel, die ihm wichtig waren, sammelte. Bei unserer letzten Begegnung kam er mit seinem Lieblingsgedicht von Bert Brecht: „Das soll an meinem Grab vorgelesen werden“, steht auf der Mappe groß geschrieben, und darunter: „So fühlen ehemalige KZ Häftlinge.“
Das Gedicht heißt „An die Nachgeborenen“, hier einige Auszüge, die Rudi gelb markiert hat:
Was sind das für Zeiten, wo / Ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist / Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt! ...
Ich wäre gerne auch weise. In den alten Büchern steht, was weise ist: Sich aus dem Streit der Welt halten und die kurze Zeit / Ohne Furcht verbringen / Auch ohne Gewalt auskommen / Böses mit Gutem vergelten ...