Kultur

Künstler, Theoretiker, Vielarbeiter: Peter Weibel ist tot

Der international renommierte österreichische Medienkünstler Peter Weibel ist tot. Der langjährige Leiter des Karlsruher Zentrums für Kunst und Medien (ZKM) starb am Mittwoch im Alter von 78 Jahren nach kurzer schwerer Krankheit in einem Karlsruher Krankenhaus, wie das ZKM am Donnerstag mitteilte.

Weibel war dem Medienmuseum seit 1999 vorgestanden und hatte zuletzt seinen Abschied und die Übersiedlung nach Wien vorbereitet. Der Brite Alistair Hudson übernimmt am 1. April die Leitung.

Zuletzt machte er mit der Ankündigung Schlagzeilen, in Wien für seine 120.000 Bücher eine bewohnbare Containerbibliothek mit einem Aufzug in der Mitte bauen zu wollen: "Der Aufzug ist die Wohnung. Ich werde also in einem großen Lastenaufzug arbeiten, schreiben und schlafen." Der Tod vereitelte diesen Plan. Am Sonntag wäre Weibel 79 Jahre alt geworden.

Künstler, Kurator, Vielarbeiter und Schnellsprecher

Er war Künstler und Kurator, Medientheoretiker und Museumsleiter, Schnellsprecher und Vielarbeiter: 50 Jahre lang prägte Weibel Medienkunst und Kunstdiskurs wie kaum ein anderer im deutschsprachigen Raum. Beheimatet war er zwischen Theorie und Praxis, Wissenschaft und Kunst, Vision und Subversion, Realität und Virtualität.

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In Odessa geboren

Geboren wurde Weibel am 5. März 1944 als "Migrationsprodukt" in Odessa. "Dann flüchtete meine Mutter mit mir über Polen, Tschechien, den Schwarzwald nach Oberösterreich in ein US-Lager für displaced persons", so Weibel in dem Interview. In Paris begann er Französisch und französische Literatur zu studieren, begann 1964 in Wien ein Medizinstudium und wechselte zu Mathematik und Logik. Eine Dissertation über mathematische Logik hat er zwar geschrieben, aber nie eingereicht.

Von der visuellen Poesie, Textaktionen und Aktionstexten im Rahmen des Wiener Aktionismus der 60er-Jahre fand Weibel auf der Suche nach Erweiterungen des Materials, der Medien und Methoden der Kunstproduktion bald zur (konzeptuellen) Fotografie und zum Film, zum "erweiterten Kino" mit Aktionsfilmen, Filmaktionen, Film ohne Film, zu körperbezogenen Aktionen (etwa gemeinsam mit VALIE EXPORT). 1968 war er maßgeblich an der Organisation der skandalumwitterten Aktion "Kunst und Revolution" mit u.a. Günter Brus und Otto Mühl an der Uni Wien beteiligt.

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Zehn Jahre später wandte er sich der Musik zu und gründete zusammen mit Loys Egg die Band Hotel Morphila Orchester. Früh befasste er sich mit den Fragen von Video- und Computerkunst und virtuellen Räumen. In seinem Werk verwendete Weibel ab 1966 bereits interaktive Praktiken und ab 1990 interaktive Computerinstallationen.

Als kontroversieller Denker, der den Relativismus der Kunst zum Thema seines alle Medien einbeziehenden Werks gemacht hat und der, noch bevor die Postmoderne überhaupt aufgetaucht war, die verbindlichen Avantgarde-Theorien angekratzt hatte, wurde er bald zum gesuchten Lektor und Professor an internationalen Kunstschulen von Kassel bis Halifax. 1981-84 war er Gastprofessor an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien, 1984 bis 2011 an der Universität für angewandte Kunst Wien Professor für visuelle Mediengestaltung, später für Medientheorie. 1982 bis 1985 war er auch Professor für Fotografie an der Gesamthochschule Kassel. Von 1985 bis 1989 lehrte er auch an der State University of New York in Buffalo, von 1989 bis 1994 war er Direktor des Instituts für Neue Medien an der Städelschule in Frankfurt.

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Ab 1988 künstlerischer Berater der Ars Electronica in Linz, war er von 1992 bis 1995 auch deren künstlerischer Leiter. Ab 1993 bis 1997 war Weibel auch künstlerischer Leiter der Neuen Galerie am Landesmuseum Joanneum in Graz, wo er dann zum Chefkurator wurde. Zu den unzähligen Jobs, die Weibel in der Kunstszene bereits innegehabt hatte, zählte auch der Posten des Kommissärs des Österreich-Beitrags bei der Biennale Venedig (1993 bis 1999).

"Idealer Nachlasskünstler"

1999 übernahm Weibel schließlich die Leitung des Zentrums für Kunst und Medientechnologie (ZKM) in Karlsruhe, dem weltgrößten Medienzentrum und für Weibel "das technisch avancierteste Museum der Welt". 

Urlaub und Freizeit waren für Weibel ("Kunst kennt kein Wochenende") ebenso Fremdworte wie Ruhestand. "Die Arbeit liegt zu Hause herum und wird dann irgendwann im Nachlass erscheinen und wird die Leute verblüffen", sagte Weibel einmal. "Bei mir ist ein Werk nie fertig. Ich bin berüchtigt dafür, dass ich nie Termine einhalten kann. Ich bin ein idealer Nachlasskünstler."

Erst kürzlich wurde bekannt, dass die Stadt Karlsruhe und das Land Baden-Württemberg Kunstwerke und Archivalien Weibels für das ZKM angekauft haben. Für die ZKM-Sammlung erwarben sie zehn Medienkunstwerke und große Teile des Archivs. Nun ist Weibel verstorben.