Kultur/Medien

"Wiener Zeitung": Geschäftsführung will Stecker ziehen

Der Fortbestand der Wiener Zeitung als gedruckte Tageszeitung ist in weite Ferne gerückt. Das geht aus einer E-Mail des Geschäftsführers Martin Fleischhacker an die Belegschaft hervor. Darin schreibt er von einer "heiklen Situation", wie der APA bestätigt wurde. Es sei davon auszugehen, dass die finanziellen Rahmenbedingungen die Fortführung einer Tageszeitung in der heutigen Form nicht mehr möglich machen, so Fleischhacker.

Auslöser ist die im Regierungsprogramm vorgesehene Abschaffung der Pflichtinserate im Amtsblatt der Wiener Zeitung, die einen großen Teil der Einnahmen ausmachen. Vor zwei Jahren seien bereits Konzepte für eine Fortführung der Tageszeitung unter geänderten Rahmenbedingungen, aber auch alternative Konzepte für ein Medium dem Aufsichtsrat präsentiert worden. Man wolle nun Konzepte, "die einer geringeren Finanzierung bedürfen", weiter ausarbeiten und diese mit den "bestmöglichen Ressourcen" ausstatten, schrieb Fleischhacker.

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Gegenüber der APA präzisierte der Geschäftsführer, dass "noch nichts vom Tisch" sei. "Ich muss mich den Rahmenbedingungen stellen und auch Alternativen erarbeiten", sagte Fleischhacker. Gute Ideen seien für den Erhalt als Tageszeitung, aber auch für alternative Modelle vorhanden. Wenn ihn noch weitere Konzepte erreichen, würden diese auch ausgearbeitet. Sein Ziel sei jedenfalls, das Beste für das Unternehmen und die Angestellten aus der Situation zu machen.

Chefredakteur ist besorgt

"Es ist sehr ernst", sagte Walter Hämmerle, Chefredakteur der Wiener Zeitung, im Gespräch mit der APA. "Wenn der E-Mail des Geschäftsführers Glauben zu schenken ist, dann ist die Tageszeitung vom Tisch", erklärte er. Glauben wolle er das aber noch nicht. Ihm sei mitgeteilt worden, dass es im Aufsichtsrat einen Aufruf gab, erneut nachzudenken und Optionen zu prüfen. Die äußerst irritierte Redaktion wolle weiterkämpfen und erarbeite Konzepte.

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Bis Ende 2022 solle nichts mit der Redaktion passieren, hieß es laut Ö1-Morgenjournal von der ÖVP-Seite in der Bundesregierung. Der Kommunikationswissenschafter Josef Trappel von der Universität Salzburg hoffte im Gespräch mit dem Radiosender, dass es noch nicht zu Ende sei. "Wir haben gestern Hugo Portisch verloren, jetzt können wir unmöglich auch noch die Wiener Zeitung verlieren", meinte er mit Verweis auf einen "nicht überbesetzten Qualitätszeitungsmarkt" in Österreich. "Die Zeitung einfach einzustellen, hielte ich für ein fatales Zeichen", so der Medienexperte. Man solle sich überlegen, welche Möglichkeiten noch offen stehen - etwa eine öffentlich-rechtliche Finanzierung.

Gewerkschaft fordert Rücktritt

Die Journalistengewerkschaft in der GPA forderte angesichts des Schreibens Konsequenzen für den Geschäftsführer. Er sei für diesen Job ungeeignet, wurde Eike-Clemens Kullmann, Vorsitzender der Journalistengewerkschaft in der GPA, in einer Aussendung zitiert. Aufsichtsrat und Eigentümer sollten Konsequenzen ziehen, meinte Kullmann und forderte die Bundesregierung auf, den Fortbestand der Wiener Zeitung in Printform abzusichern.

Auch Reporter ohne Grenzen (RSF) Österreich setzte sich in einer Aussendung für den Erhalt der ältesten Tageszeitung der Welt ein. "Auf dem ohnehin sehr kleinen und nur 14 Titel umfassenden Tageszeitungsmarkt Österreichs darf ein besonderes Medium wie die Wiener Zeitung, die für qualitativ hochwertige und ausgewogene Berichterstattung steht, nicht einfach wegfallen", so RSF-Österreich-Präsidentin Rubina Möhring. Sie zeigte sich irritiert über die E-Mail Fleischhackers: "Damit lässt er die redaktionellen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Regen. Von einem Geschäftsführer muss man sich mehr Kampfbereitschaft erwarten dürfen."

Das Ende der republikseigenen Wiener Zeitung als Tageszeitung bzw. in gedruckter Form steht seit mehreren Wochen im Raum. Das Regierungsprogramm sieht eine Abschaffung der Pflichtinserate im Amtsblatt der Zeitung vor, wodurch ein großer Teil der Einnahmen für das Qualitätsblatt wegfallen würde. Eine von der Regierung ins Treffen geführte EU-Richtlinie, die eine zentrale Stelle für die Dokumentation von Unternehmensinformationen vorsieht, sei jedoch keine rechtliche Hürde, meinte Chefredakteur Hämmerle, jüngst bei einer Diskussion des Presseclub Concordia.

Broschüren für das Kanzleramt?

Heikel mutet in dem Zusammenhang an, dass an der Wiener Zeitung-Tochter „Content Agentur Austria“ sehr wohl festgehalten wird: Diese soll als Dienstleister für die Republik Broschüren und andere Kommunikationsvehikel produzieren. Hier sieht man seitens der Regierung wohl weiterhin eine Geschäftsgrundlage.

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