ORF-Talk zur FPÖ: "Herbert Kickl kann alles"
Von Peter Temel
*Disclaimer: Das TV-Tagebuch ist eine streng subjektive Zusammenfassung des TV-Abends.*
Bei keiner Partei gibt das Archiv den Journalisten so viel Möglichkeiten zur sprichwörtlichen „Rache“ wie bei der FPÖ. Das wurde am Sonntagabend bei „Im Zentrum“ schon bei dem einleitenden Einspielfilm deutlich.
„Immer dann, wenn die Partei in der Lage ist, ruhiges Fahrwasser zu erreichen, wenn man den Eindruck hat, wir könnten auch wählermäßig zulegen, dann kommen solche Töne von einem Landesparteiobmann.“ Das sagte Norbert Steger im Jahr 1986. Also in dem Jahr, als Jörg Haider putschartig von ihm die FPÖ übernahm. Ein paar Knittelfelds und Ibizas später sagte ein anderer Norbert im Jahr 2019, als frisch gewählter Parteichef: „Niemals wieder werden wir an uns selbst scheitern. Das wird nie wieder passieren.“
Nun ist es aktuell nicht so weit, von einem Scheitern der FPÖ zu sprechen. Aber dass Norbert Hofers Obmannschaft nach weniger als zwei Jahren wieder endet, wird derzeit nicht gerade als Zeichen für Stabilität analysiert. Hofer wurde in den vergangenen Wochen ziemlich offen von Herbert Kickl desavouiert.
Alles ganz anders?
Marlene Svazek, Stellvertretende Bundesparteiobfrau und Landesparteiobfrau Salzburg, stellt das Ganze als völlig normalen Vorgang dar.
Es sei immer noch die Entscheidung des Parteichefs, ob er zurücktritt und wann. Es gebe „eine Vielzahl an persönlichen Gründen“ auf der Seite Hofers. „Die letzten Jahre waren nicht ganz einfach.“ Sie spricht die Bundespräsidentschaftswahlkämpfe und die Parteikrise nach Ibiza an. Svazek: „Den Schuldigen in Kickl zu suchen ist ein bisschen einfach.“
So haben wir das alle noch nicht gesehen. Es war also alles nur einer persönlichen Überlastung auf Seiten Hofers geschuldet, die dieser aber nie angesprochen hat?
Reiterer erinnert daran, dass Hofer selbst auf Twitter geschrieben hat, dass er sich nicht ständig ausrichten lassen möchte, „dass er fehl am Platz ist“.
Svazek fährt mit ihrer Interpretation der Ereignisse fort. Kickl habe doch nur ehrlich in einem Interview geantwortet, er würde als Spitzenkandidat „zur Verfügung stehen“.
Reiterer repliziert mit einer Frage: „Das heißt, Hofer hätte nicht zurücktreten müssen, er hat Kickl nur falsch verstanden?“
Svazek hat noch ein Ausweichmanöver parat. Hätte es Differenzen gegeben, hätte man ja einen Sonderparteitag einberufen können, um diese auszuräumen. Irgendwann hätte man die Spitzenkandidatenfrage aber ohnehin klären müssen, meint sie.
Matthias Krenn, Bundesobmann Freiheitliche Wirtschaft und Bürgermeister von Bad Kleinkirchheim, scheint weniger zufrieden mit den Vorgängen in der Bundespartei. Als Motiv für Hofers Schritt sieht er schon ein „So nicht, ich gehe“.
„Einen Führungswechsel bereitet man gut vor“, sagt Krenn aus einer Unternehmerperspektive heraus. „Das war etwas irritierend.“
Zuerst Programmatik, dann Kickl
Für eine rasche Installierung Kickls als Parteichef sieht Krenn offenbar keinen Grund. Für ihn sei zuerst zu klären: „Wo wird die freiheitliche Partei stehen?“ Es brauche „ein Gesamtpaket“, um „Vertrauen in der Bevölkerung zu schaffen“. Für diese Programmatik solle man sich auch Zeit lassen, „derzeit sind wir noch nicht so weit.“
Svazek sagt etwas später: „Ich glaube nicht, dass es eine inhaltliche Neuaufstellung braucht.“
Na gut. Es scheint alles geklärt. Dann brechen wir den Talk an diesem Punkt ab, oder?
Na ja, es sind noch zwei parteiferne Fachpersonen anwesend. Politikwissenschafterin Kathrin Stainer-Hämmerle sieht sehr wohl Rache als Motiv von Hofers abruptem Abschied. Wenn nur es nur persönliche Gründe gehabt hätte. Wie Svazek angedeutet hat, dann hätte man das ganz einfach an Kickl übergeben können.
Nach Hofers Niederlage im parteiinternen Maskenstreit sei klar gewesen, dass der dritte Nationalratspräsident und Parteichef keinen Rückhalt im Parlamentsklub mehr hatte, erklärt die Politologin.
Interessant ist, dass sie Kickl, dessen Designierung als Parteichef laut Svazek nur eine Formsache ist, nur als „eine Möglichkeit“ bezeichnet. Die Person Kickl biete zwar die Aussicht darauf, Klubobmann und Parteivorsitz in einer Hand zu vereinen und noch dazu die Frage der Spitzenkandidatur früh zu klären.
Aber: Kickl spalte und polarisiere, „bis in die eigene Partei“, sagt Steiner-Hämmerle.
Meinungsforscher Christoph Haselmayer, ehemals Neos-Politiker, sieht gerade darin, die Chance der FPÖ, eine „Wählerrückholaktion“ (ein beliebtes FPÖ-Wort) zu starten. „Durch Polarisierung, wie es auch Haider und Strache gemacht haben, gibt es mich“, sagt Haselmayer, Kickl werde von vielen abgelehnt, aber er habe auch viele Fans und „das bringt am Ende des Tages Wählerstimmen“.
Auch Svazek plädiert für einen „kantigen Weg“, also für Kickl. „Herbert Kickl kann alles“, sagt sie irgendwann. Er habe auch bewiesen "ein begnadeter Sozialpolitiker" zu sein.
Ausweichend
Krenn stimmt nicht in dieses Loblied eine und will nicht direkt sagen, ob er mit Kickl glücklich wäre. Der Kärntner Politiker formuliert etwas ausweichend. Oft würden Bundesparteivorsitzende „am Anfang total abgelehnt“, im Lauf der Zeit hätten sie es aber doch geschafft, „eine breite Schicht der Bevölkerung anzusprechen“. Wieder will Krenn auf programmatische Fragen zurückkommen.
Stainer-Hämmerle spricht Tacheles: „Mit einem Programm hat noch niemand eine Wahl gewonnen, da geht’s um Personen und um Persönlichkeiten.“ Es gehe jetzt weniger um konkrete Inhalte, sondern um eine grundsätzliche Strategie: Opposition oder Regierungspartei?Bei Kickl sehe sie nicht nur das Problem, dass er mit Türkis nicht kann, sondern dass er auch gegen Kurz keine Koalitionen schmieden können werde.
Reiterer zitiert dann den neuen Chef der Kärntner FPÖ, Erwin Angerer. Dieser kann sich laut einem aktuellen Interview eine Koalition mit der ÖVP ohne Kurz vorstellen.
Krenn, darauf angesprochen, sagt: „In diese Diskussion möchte ich nicht einsteigen.“
„Doch!“ sagt Reiterer, die sichtlich gerne mehr Diskussion in der Diskussionssendung hätte.
Krenn stimmt dann immerhin seinem Kärntner Parteichef zu. Aber ein bisschen mehr Diskussion hätte dieser „Im Zentrum“-Ausgabe sicher gut getan.
Abgrenzung
Aufhorchen lässt dann noch einmal Svazek: Eine Abgrenzung von der ÖVP („eher zum Schmied gehen als zum Schmiedl“) kommt ihr wesentlich leichter von den Lippen als eine Distanzierung von Rechtsextremen wie den Identitären. Argument: „Wir haben uns nie angebiedert an Rechtsextremen oder solchen Gruppierungen.“