Disney+ sperrt "Dumbo" und "Peter Pan" für Kinder im Vorschulalter
"Dumbo", "Peter Pan", "Aristocats" - lange galten diese Disney-Filme als harmlose Kinderklassiker. Dabei stecken darin viele Klischeebilder, die lange Zeit als selbstverständlich hingenommen wurden, aber heute hinterfragt werden. Das Unternehmen nimmt schon seit Längerem seine Verantwortung war und versieht jene Filme, die problematische Szenen aufweisen, mit entsprechenden Hinweisen auf Stereotype und negative Darstellungen von Menschen und Kulturen.
Nun setzt der Streamingdienst Disney+ einen weiteren Schritt und schränkt den Zugriff für Kinder ein. Die betroffenen Filme sind zwar weiter verfügbar, allerdings nicht in den Accounts für Kinder unter sieben Jahre. Über ihren eigenen Account können Eltern die Filme aber weiterhin ihren Kindern zeigen.
"Können Vergangenheit nicht ändern"
Entfernen habe man die Filme nicht wollen, schreibt man auf einer eigens geschaffenen Webseite mit dem Titel "Stories matter" ("Geschichten sind wichtig"). Eher wolle man dazu anregen, sich mit Themen wie Rassismus, Vorurteilen und den dunklen Kapiteln der Geschichte zu beschäftigen. "Wir können die Vergangenheit nicht ändern, aber wir können sie anerkennen, daraus lernen und uns weiter entwickeln", schreibt das Unternehmen.
Lesen Sie im Folgenden, wie Disney selbst ausgewählte Szenen einschätzt und beschreibt.
"Aristocats": Katze "Shun Gon"
Die Katze wird als rassistische Karikatur ostasiatischer Völker mit übertriebenen stereotypen Merkmalen wie schmalen Augen und vorstehenden Zähnen dargestellt. Er singt mit starkem Akzent, wird von einem weißen Schauspieler gesprochen und spielt Klavier mit Stäbchen. Diese Darstellung verstärkt das Stereotyp des "ewigen Ausländers", während der Film auch Texte enthält, die die chinesische Sprache und Kultur verspotten, wie "Shanghai, Hongkong, Egg Foo Young. Fortune Cookie always wrong"("Glückskeks immer falsch").
Die Krähenbande in "Dumbo"
Die Krähen und ihre Musiknummer "When I See an Elephant Fly" sind eine Hommage an rassistische 'Minstrel Shows', in denen weiße Darsteller mit geschwärzten Gesichtern und zerlumpter Kleidung versklavte Afrikaner auf Plantagen im Süden imitierten und verspotteten. Der Anführer der Gruppe in "Dumbo" ist Jim Crow, der den Namen der Jim-Crow-Gesetze trägt, die die Rassentrennung in den Südstaaten festschrieben.
Im "Song of the Roustabouts" rackern sich gesichtslose schwarze Arbeiter ab, zu beleidigenden Texten wie "Wenn wir unser Gehalt bekommen, werfen wir all unser Geld zum Fenster raus."
"Peter Pan" und die "Rothäute"
Der Film zeigt Ureinwohner auf stereotype Weise, die weder die Vielfalt der Ureinwohner noch ihre authentischen kulturellen Traditionen widerspiegeln. Es wird zeigt, wie sie in einer unverständlichen Sprache sprechen, und sie werden wiederholt als "Rothäute" bezeichnet, ein beleidigender Begriff. Peter und die Lost Boys tanzen, tragen Kopfschmuck und andere übertriebene Erkennungsmerkmale, eine Form des Spottes und der Aneignung der Kultur und Bildsprache der Ureinwohner.
Die Piraten in "Dschungel der 1000 Gefahren"
Die Piraten, die die Schweizerische Robinson-Familie bedrohen, werden als stereotype ausländische Bedrohung dargestellt. Viele erscheinen in "gelbem Gesicht" oder "braunem Gesicht" und sind in einer übertriebenen und ungenauen Art und Weise kostümiert, sie tragen Haarknotenfrisuren, übertriebenes Gesichts-Make-up und Schmuck, was ihre Barbarei und "Andersartigkeit" verstärkt. Sie sprechen in einer unverständlichen Sprache und stellen eine eindimensionale und rassistische Sicht der Völker Asiens und des Nahen Ostens dar.
Was richten Stereotype an?
Schwarze als Putzleute, Sklaven oder Opfer, die von Weißen gerettet werden. Eine singende Katze am Klavier, deren starker Akzent die chinesische Sprache und Kultur ins Lächerliche zieht wie in "Aristocats". Oder bei "Dumbo" die tanzenden und singenden Krähen, eine Parodie auf die Sklaven auf Plantagen.
Alles andere als harmlos, warnen Experten. "Begegnen Kinder hier zum ersten Mal Menschen und Kulturen, die sich von ihrer eigenen unterscheiden, prägen sie sich das Bild und die Eigenschaften, die den anderen zugewiesen werden, besonders tief ein", sagt etwa die Medienwissenschafterin Maya Götz, die in München das Internationale Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) leitet. "Die ersten Eindrücke sind besonders resistent gegenüber Veränderungen. Entsprechend sensibel sollte ein Kinderprogramm mit Klischees und Stereotypen von Menschen und Kulturen umgehen."
Ganz ohne geht es nicht
Ganz ohne Verallgemeinerungen geht es zwar nicht. Selbst super aufgeklärte Menschen müssten darauf zurückgreifen, um Entscheidungen zu treffen, erklärt die Filmwissenschafterin Michaela Krützen. Aber: "Man kann sie sich bewusst und deutlich machen". Wo verbergen sich Vorurteile, Abwertungen oder Rassismus? Das will sie auch den Studenten an der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) in München nahebringen. "Der Job ist, den Studierenden die Augen zu öffnen".
Götz rät Eltern dennoch zur Vorsicht. Filme wie "Schneewittchen" oder "Cinderella" seien zwar Kulturgut. "Ich würde sie aber nicht für Vorschulkinder und sensible Erst- und Zweitklässler empfehlen, da sich in diesem Alter stereotype Weltsichten besonders nachhaltig verfestigen."
Neuer Disneyfilm
In vielen Filmen dominieren immer noch westliche, weiße Standpunkte, und Menschen anderer Kulturen und Hautfarben spielen kaum eine Rolle. Das will Produzentin Osnat Shurer mit "Raya und der letzte Drache" besser machen, seit Kurzem zu sehen bei Disney+ mit VIP-Zugang. Ihr Film taucht in die vielfältige Kultur Südostasiens mit ihrem reichen Schatz an Märchen und Mythen ein. Europäische Märchenprinzessinnen wie Dornröschen lässt Raya dabei ziemlich farblos aussehen.
Adele Lim war als Drehbuchautorin dabei und genoss es, über etwas zu schreiben, was ihr vertraut war. Sie kommt aus Malaysia und liebt die Kultur, die Geschichte und die Traditionen Südostasiens. "Aber wenn man dort aufwächst, hat man manchmal das Gefühl, dass wir auf der globalen Bühne unsichtbar sind", bedauert Lim. Ihr Eindruck: "Dein Gesicht und deine Geschichte gehören da vielleicht nicht hin".
Es ist nicht zuletzt der Wunsch, sich selbst in den Geschichten wiederzufinden, der Lim antreibt. "Lass uns versuchen, Geschichten über uns nicht ohne uns zu erzählen", sagt die Autorin. Denn selbst wenn westliche Schauspieler und Filmteams etwa in Thailand oder auf Bali drehen, geht es oft nur um ihre Geschichte. Die Kultur und die Menschen dort? Häufig nur als fotogener Rahmen oder in der Opferrolle.