"Jedermann": Jubel für Einspringer Hochmair
Von Guido Tartarotti
Für die Salzburger Festspiele ist das sozusagen der schlimmste Albtraum: "Jedermann"-Vorstellungen absagen zu müssen. Das vielzitierte Spiel vom Sterben des reichen Mannes ist nicht nur die bekannteste Produktion in Salzburg, sondern auch DER Publikumsmagnet und damit große Gelddruckmaschine. "Jedermann" DARF nicht ausfallen.
Zehntelsekunde
Was soll man aber tun, wenn der Hauptdarsteller - Tobias Moretti - an akuter Lungenentzündung erkrankt ist? Schauspielchefin Bettina Hering rief Philipp an, und der, so Hering, "zögerte nur eine Zehntelsekunde". Hochmair, bekannt aus vielen großen Theaterrollen, etwa am Burgtheater, aber auch aus TV-Serie "Vorstadtweiber", blieb nur ein Tag (und nur eine einzige Probe), um die Rolle einzustudieren.
Bereits, als Hering das vor Vorstellungsbeginn auf dem Domplatz verkündete, gab es lautstarken Jubel vom Publikum. Der Zuschauerraum war übrigens voll, niemand hatte seine Karte verfallen lassen.
Hochmairs Vorteil: Er spielt seit 2013 (Premiere war in Salzburg) seine eigene Version, "Jedermann reloaded". Er ist also mit dem Text vertraut - nur, dass es natürlich eine andere Textfassung ist.
Um es gleich zu sagen: Hochmair hat bei der Vorstellung keinen einzigen auffälligen Texthänger. Ein paar Mal fallen er und seine Mitspieler einander ins Wort, ein paar Mal "springt" er und muss Textteile dann noch einmal einbauen. Und einige Male wiederholt er einzelne Phrasen - offenbar das Zeichen an die Souffleuse, ihm via Knopf im Ohr einzusagen. Aber diese Leistung ist genau genommen unfassbar.
Diabolisch
Mehr noch: Hochmair schafft es in der (stark verbesserten) sehr sachlichen, 80 Minuten kurzen Inszenierung von Michael Sturminger tatsächlich, nicht nur Einspringer zu sein, sondern eine eigenständige, sehr starke Rolleninterpretation zu liefern. Wo Tobias Moretti wie ein eleganter Dandy auftritt, spielt Hochmair diabolischer, abgründiger, gefährlicher. Davon profitieren etwa die Szenen mit "Buhlschaft" Stefanie Reinsperger, die plötzlich menschlicher, "echter" wirken.
Übrigens: Erst einmal in der Festspielgeschichte ist es vorher vorgekommen, dass ein Jedermann ersetzt werden musste: 1932 sprang Raul Lange für Paul Hartmann ein, bei der letzten Vorstellung der Saison (Hartmann musste zu Dreharbeiten).
Direkte Vergleiche zwischen Moretti und Hochmair sind unfair, beide sind brillante Schauspieler. Moretti ist rasche Genesung zu wünschen. Und Salzburg hat jetzt ZWEI großartige Jedermänner.
Ganz großer Jubel zum Schluss.