Burgtheater-Prozess: Angeklagte bekennt sich teilschuldig
Am Donnerstag hat am Wiener Landesgericht der Prozess gegen die langjährige kaufmännische Burgtheater-Geschäftsführerin Silvia Stantejsky eröffnet. Der 64-Jährigen werden Bilanzvergehen nach dem GmbH-Gesetz, Untreue und Veruntreuung angelastet. Nachdem sich im Zuge einer Gebarungsprüfung Ungereimtheiten in ihrem Verantwortungsbereich gezeigt hatten, wurde sie im November 2013 fristlos entlassen. Zum Auftakt hat sich Stantejsky "teilschuldig" bekannt. Nicht schuldig bekannte sie sich bezüglich ihr vorgeworfener Bilanzfälschung, schuldig bekannte sie sich in Zusammenhang mit Veruntreuung.
Sie gab am Donnerstag zu, Bargeld aus der Hauptkassa entnommen zu haben und sogenannte Handgelder, die künstlerischem Personal zugedacht waren, für eigene Zwecke verwendet zu haben. Schadenssumme: 30.000 Euro.
273.000 Euro für Hartmann aufbewahrt
Größer war der Schaden, den die 64-Jährige ihrer Verantwortung zufolge mit Veruntreuungen zulasten des ehemaligen Burgtheater-Direktors Matthias Hartmann und des deutschen Theaterregisseurs David Bösch angerichtet haben soll. Auf Kosten Böschs ließ sie sich demnach mit Blanko-Belegen 185.000 Euro ausbezahlen, bei Hartmann betruf der Schaden 163.000 Euro. Der damalige Burg-Chef hatte mangels eines österreichischen Bankkontos im Sommer 2009 mit Stantejsky vereinbart, dass diese insgesamt 273.000 Euro, die er sich für erbrachte Leistungen vom Burgtheater ausbezahlen hatte lassen, für ihn aufbewahrte und er bei Bedarf Geld „abholen“ konnte. Am Ende verwahrte Stantejsky für ihn 163.000 Euro zu Hause in einem Safe bzw. in der Wohnung ihrer Mutter und soll sich davon laut Anklage immer dann bedient haben, wenn sie selbst Finanzbedarf hatte. Im Herbst 2013 waren die 163.000 Euro zur Gänze verbraucht. Während ein nicht unbeträchtlicher Teil des bei Hartmann angerichteten Schadens zwischenzeitlich gut gemacht wurde - bereits Anfang Jänner 2014 wurden 70.000 Euro zurückbezahlt -, soll Bösch eine außergerichtliche Einigung mit Stantejsky abgelehnt haben.
"Miese Lage des Burgtheaters bewältigen"
Ausdrücklich nicht geständig war die Angeklagte zum Vorwurf der Bilanzfälschung. Sie habe zwar die finanzielle Lage beschönigt und „Fehldarstellungen“ vorgenommen, meinte Verteidigerin Isabell Lichtenstrasser. Die Wirtschafts-und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ziehe daraus aber die falschen Schlüsse. Stantejsky sei es darum gegangen, „die miese finanzielle Lage des Burgtheaters zu bewältigen“ und das Ansehen des Hauses hochzuhalten. Sie habe - wenn auch nur am Papier - die Vorgaben der Bundestheater-Holding umsetzen wollen, wo eine „schwarze Null“ verlangte wurde. Dass das in der Realität nicht möglich war, „war allen Beteiligten sonnenklar“, sagte Lichtenstrasser.
Im Zuge der Burgtheateraffäre kamen Millionenschulden und eine ausgewachsene Finanzmisere an der Burg ans Tageslicht, was im März 2014 zur Entlassung des damaligen Burgtheater-Direktors Matthias Hartmann führte. Der Chef der Bundestheater-Holding, Georg Springer, legte alle Aufsichtsratsfunktionen zurück. Während gegen Hartmann mittlerweile alle strafrechtlich relevanten Vorwürfe eingestellt wurden - es ging um den Verdacht der Untreue, behauptete Bilanzfälschung und grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen sowie mögliche Abgabenhinterziehungen - und auch von den Anschuldigungen gegen Springer nichts übrig blieb, muss sich nun Stantejsky vor einem Schöffensenat unter Vorsitz von Richter Christoph Zonsics verantworten. Der zentrale Vorwurf: Sie soll sich Bargeld aus der Hauptkassa auszahlen haben lassen, damit private Ausgaben finanziert und das Burgtheater um über 300.000 Euro am Vermögen geschädigt haben. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Staatsanwältin: "System ausgenützt"
Am Burgtheater war es in der Ära Stantejsky üblich, dass sich Künstler ihr Gehalt und ihre Honorare wahlweise auf ein Bankkonto überweisen oder in bar ausbezahlen lassen konnten. Letzteres wurde über die Hauptkassa abgewickelt, was laut Oberstaatsanwältin Veronika Standfest von der kaufmännischen Geschäftsführerin Silvia Stantejsky „sehr zentral gesteuert“ und „ausgenutzt“ wurde.
Mit Zugriffen auf die sogenannten Handgelder habe die Angeklagte ihren eigenen Finanzbedarf gedeckt, legte die Anklägerin dar. Stantejsky habe einen „luxuriösen Lebensstil mit teuren Urlauben“ gepflogen, sagte Standfest. Obwohl sie 14 Mal im Jahr netto 7.000 Euro ins Verdienen brachte, sei Stantejsky damit in manchen Jahren deutlich nicht ausgekommen.
Andererseits billigte die Anklägerin der langjährigen kaufmännischen Burgtheater-Geschäftsführerin zu, in beruflicher Hinsicht in ein enges finanzielles Korsett eingeschnürt gewesen zu sein: „Die finanzielle Situation des Burgtheaters war nicht rosig. Es war bestimmt so, dass Doktor Springer (Georg Springer, damaliger Chef der Bundestheater-Holding, Anm.) die schwarze Null gefordert hat. Es stellt sich aber die Frage, warum sie (Stantejsky, Anm.) die Zahlen nicht auf den Tisch gelegt hat. Es kann sein, dass eine gewisse Eitelkeit dahinter stand, man den Aufsichtsrat nicht vor den Kopf stoßen wollte oder dass man einfach beliebt sein wollte. Es mag sein, dass sie (Stantejsky, Anm.) den schwarzen Peter hat. Aber sie war die kaufmännische Geschäftsführerin.“
Ihre Malversationen soll sie verschleiert haben, indem sie laut Anklage vorgab, die Gelder für Zahlungen an den künstlerischen Betriebsrat, die Kostümabteilung und die Requisite zu verwenden. Über 185.000 Euro soll sich Stantejsky zugeeignet haben, um vorgeblich die Forderung eines prominenten Regisseurs aus einem Werkvertrag zu bedienen, weitere 35.000 Euro, um einen namhaften Bühnenbildner zu bezahlen. In beiden Fällen soll Stantejsky laut WKStA die Gelder für sich verwendet haben. In der 45-seitigen Anklageschrift wird in diesem Zusammenhang auf einen „über ihren wirtschaftlichen Verhältnissen liegenden Lebensstil“ und „ihr Einkommen übersteigenden Auszahlungen bzw. Abbuchungen von ihren Konten“ verwiesen.
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Stantejsky verwies auf psychische Erkrankung
Silvia Stantejsky und ihre Verteidigerin Isabell Lichtenstrasser haben beim Prozessauftakt auf eine psychische Erkrankung der langjährigen Burgtheater-Geschäftsführerin verwiesen. „Das hatte Auswirkungen auf ihre berufliche Tätigkeit“, betonte Lichtenstrasser. Mit der Krankheit sei „ein nicht unerheblicher Realitätsverlust“ einhergegangen.
Stantejsky selbst berichtete in ihrer stundenlangen Einvernahme als Beschuldigte, sie habe erstmals 2010 ein Coaching in Anspruch genommen, „weil ich mich vollkommen überlastet fühlte durch die Art und Weise, wie Hartmann die Geschäfte geführt hat“. 2011 habe sie sich in psychiatrische Behandlung begeben. Diese dauere bis zum heutigen Tag an. Sie nehme auch Medikamente.
Ansatzweise ließ Stantejsky immer wieder durchblicken, dass sie mit Entscheidungen des Burg-Chefs Hartmann nicht immer einverstanden war: „Hartmann-Stücke wurden sehr lange gespielt. Die anderen waren rascher weg, weil er sich dafür geniert hat.“ Dass sie ihr Job belastete, worüber sie dem Aufsichtsrat regelmäßig berichten musste, machte sie vor Gericht auch deutlich: „Ich hatte die Aufgabe, die schwarze Null zu machen. Dass die Situation scheiße ist, habe ich nicht verschwiegen.“