Zusehen, wenn sich wer die Pobschibacken kratzt
Von Vea Kaiser
Mittlerweile gehen Signorino Hund und ich nicht einfach bloß spazieren. Es gibt die Schulspazierer, im Zuge derer wir Kommandos oder Verhalten an der Leine üben. Es gibt die Besorgungsspazierer, um dem weit entfernten Bäcker unsere Aufwartung zu machen. Es gab die (zurzeit pausierten) Sozialspazierer mit Freunden.
Es gibt Sightseeingspazierer, auf denen wir uns unbekannte Orte erkunden. Sportspazierer, bei denen wir versuchen, bisherige Bestzeiten für festgelegte Strecken zu unterbieten. Erholungsspazierer ohne Grund und feste Route. Telefonspazierer, um lange Telefonkonferenzen zu ertragen. Beziehungsrettungsspazierer, um nach einem Streit mit dem Dottore Amore auszudampfen.
Und neu im Sortiment: Menschenschauspazierer. Auf diesen Spaziergängen schlendern der Hund und ich gemächlich, um Menschen zu beobachten – wie damals vor hundert Jahren, als es noch Kaffeehäuser gab. Neulich in den ersten Frühlingstagen unternahmen wir einen Gang durch die Innenstadt. Wir entdeckten einen schicken Mann, der eine Anzeigetafel studierte und sich dabei voller Hingabe zwischen den Popschibacken kratzte.
Kronjuwelen in der Hose richten
Eine junge Frau, die im kurzen Röckchen im Schneidersitz auf der Parkbank las, das pinke Höschen in der Sonne blitzend. Unweit von ihr erörterte eine teuerst gekleidete Dame laut und deutlich Möglichkeiten, Schwarzgeld zu waschen. Der nächste Passant richtete sich mit beherztem Griff in die Jeans die Kronjuwelen. Dann sah ich an mir hinunter: Ich trug eine von Hundehaaren übersäte, ausgewaschene Leggings, die zu kurz war, um die mit Avocados bestickten Socken zu überdecken.
Mein Mantel war angesabbert, an den Schuhsohlen pickten Dreckbatzen und mein am Oberkopf zu einem gordischen Knoten vertäutes Haar sah aus der Ferne wahrscheinlich aus wie ein Vogelnest. Tja, beobachtet zu werden, ist genauso Gewohnheitssache wie zu beobachten.