Das neue Abnormal
Von Birgit Braunrath
Extrem ist also das neue Normal. Wenn eine Situation außer Kontrolle gerät, versucht der Mensch, ihr das Bedrohliche zu nehmen, indem er das Abnormale neuerdings gern „das neue Normal“ nennt. „Das neue Normal“ ist ein beliebter Ausdruck für Entwicklungen, die alles andere als normal sind. Jüngstes Beispiel dafür sind die Extremwetterphänomene. Nennt man Hitze und Unwetter sowie, damit einhergehend, Dürre, Überschwemmungen, Murenabgänge und Ernteausfälle „normal“, werden sie zu scheinbar einkalkulierten Katastrophen, die eben dazugehören.
Was bei dieser Rechnung allerdings fehlt, ist der Faktor des Unberechenbaren: Das, was wir jetzt an Unwettern erleben, könnte das sein, wonach wir uns in einigen Jahren zurücksehnen. Müssen wir also ab nun Jahr für Jahr ein noch krasseres „neues Normal“ definieren? Oder ist das „neue Normal“ in Wahrheit bloß die Erkenntnis, dass alles im Wandel, im Klimawandel, ist? Und dass es ein Normal nicht mehr gibt, weil die Unberechenbarkeit zur Norm wird?