Warum Immobilienmakler beinahe Dichter sind
Von Vea Kaiser
Nach vier Jahren der Suche haben der Dottore Amore und ich endlich ein Zuhause für unsere kleine Familie gefunden. Ich wäre keine Schriftstellerin, würde ich nicht schon längst mit dem Gedanken spielen, die Erfahrung der langen und nervenzerstörenden Suche zu verwerten.
Daraus könnte entweder ein tragikomischer Roman werden oder aber ein Wörterbuch: MAKLER – DEUTSCH, DEUTSCH – MAKLER. Mich faszinieren Maklerinnen. Bevor ich vom Schreiben leben konnte, überlegte ich sogar, selbst eine zu werden. Als Maklerin hat man tagtäglich mit Menschen, ihren intimsten Wohnräumen, ihren Träumen, Sehnsüchten, Wünschen zu tun. Und obendrein: sprachliche Kreativität wird belohnt. Immobilienanzeigen zu verfassen, ähnelt der Dichtkunst.
In beiden Fällen geht es darum, schöne Sprachbilder für die schnöde Realität zu ersinnen, und zwar möglichst verknappt und verdichtet. Mein Wörterbuch könnte dabei helfen. Ein Auszug:
Durchdachte Raumaufteilung: viele kleine Zimmer und trotzdem kein Stauraum. Bastlerhit: Bruchbude. Absolute Ruhelage: schlechte öffentliche Anbindung. Gepflegte Nachbarschaft: Rechnen Sie mit Klagen, wenn Sie in Ihren Garten ragende Äste beschneiden. Kühl und schattig im Sommer: höchstwahrscheinlich feucht. Modernes Loft: Denken Sie nicht einmal an Stauraum! Alle Ansprüche an modernes Wohnen werden erfüllt: offene Küche ohne Dunstabzug, mehr Steckdosen, als man braucht, natürlich kein Stauraum. Urbane, vibrierende Lage: nachts laut und beliebt bei Drogendealern. Sanierungsbedürftig: Sie glauben, Sie können sich diese Immobilie leisten, doch das können Sie nicht (es sei denn, Sie besitzen eine Baufirma).
Anders als Romane oder Filme gehen Immobiliensuchen meist gut aus. Irgendwann wird jeder fündig. Doch bis dahin gibt’s viel Tragisches und Komisches zu erzählen. Die besten Geschichten schreibt halt das Leben.
vea.kaiser@kurier.at