Kolumnen

Johannas Fest: Wie riskant ist chinesisch essen?

Angelika lädt jedes Jahr zur Faschingszeit ihre drei besten Freundinnen in ein Restaurant der gehobenen Preisklasse ein. Anfang Februar war es wieder so weit. Am Mittwochabend hatte sie einen Tisch in einem Lokal, das in einem Heurigen-Vorort liegt, reserviert. Bei einem außergewöhnlichen Chinesen, dessen Einrichtung ganz ohne Drachen, Lampions und Wasserfallbilder auskommt, wie ich dessen Homepage entnehmen konnte. Stattdessen schnörkellos modernes Interieur: die Wände hellgrau gestrichen, die Tische in weißem Leinen eingedeckt, schwarze Sessel, Sitzbänke mit rot gepolsterten Lehnen, zwei goldene Tempelwächter und Marmorboden. Vom Plafond leuchten Lotusblätter in Kupfer. Ein Seelen-Spa fürs Auge des Ästheten! Und die Speisen in diesem Restaurant? Ich war neugierig und googelte die Restaurantkritiken. Die Dim-Sum seien hausgemacht, die Suppen leicht und doch gehaltvoll, die Weinkarte bemerkenswert umfangreich und international. Spätestens bei der Beschreibung des „Signature Dish“ der Lokalität, einer Peking-Ente, lief mir das Wasser im Mund zusammen: „24 Stunden erfordert deren Zubereitung. Zuerst wird die Ente mit 16 Gewürzen mehrere Stunden lang gebeizt, erneut mariniert, im Ofen gegrillt und schließlich mit heißem Öl übergossen. Das zartrosa Fleisch wird mit Gurke, Lauch und Mango in Reisfladen eingewickelt und mit den Fingern gegessen“, stand im KURIER.

Russisches Roulette

Ein Anruf meiner Freundin Elisabeth – eine der drei Geladenen – unterbrach die Vorfreude auf die kulinarischen Genüsse. Ihr Lebenspartner Alfred rotiere. Ob wir des Wahnsinns finstere Beute seien, jetzt wo sich das Coronavirus epidemisch ausbreite, zum Chinesen zu gehen? Da säßen derzeit alle Verwandten der Restaurantbetreiber, frisch heimgekehrt von den Neujahrsfeierlichkeiten in ihrer Heimat. Das sei schlicht und einfach Russisches Roulette, was wir da vorhaben, wetterte Alfred. Erst lachte ich. Dann beschwichtigte ich ihn. Ich sprach mit Angelika, die disponierte um.

Wir trafen einander bei einem alt eingesessenen Innenstadt-Italiener. Der in die Jahre gekommene grauhaarige Wirt war beim Empfang frostig. Der Grund: Angelika bat um den Tisch in der Ecke, den sie aber nicht dezidiert reserviert hatte. Kühl war es auch im Raum. Ob die Heizung defekt war, oder ob die gefühlten 17 Grad Ergebnis einer Spargesinnung waren, weiß ich nicht. Ich aß jedenfalls in meinem Wintermantel. In der folgenden Woche wollte ich genauer wissen, was ich bislang weder den Zeitungen noch dem Internet entnehmen konnte: Besteht Infektionsgefahr, wenn man in Wien in einem China-Lokal speist? Ich rief im Zentrum für Virologie der Medizinischen Universität Wien an. „Gekochtes Essen sei unbedenklich. Die Ansteckung erfolge von Mensch zu Mensch. Bisher gebe es keinen Fall von Corona-Infektion in Österreich. Daher sei es unbedenklich, in Wien in einem China-Restaurant zu speisen“, so Laborleiter Prof. Dr. Stephan Aberle. Ob es beim Chinesen nicht doch einen Hauch riskanter ist, als beim Italiener? Graue Theorie: Angelika, die im hochpreisigen Niedrigtemperatur-Lokal als Einzige ihren Mantel an der Garderobe ließ, liegt seit ein paar Tagen mit einer schweren Verkühlung im Bett. – Wir, mein Mann und ich, fahren heute Abend in den Heurigen-Vorort und werden uns an der viel gepriesenen Pekingente delektieren!